Im Gespräch mit Dirk Werner, Leiter des Themenclusters Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), blicken wir auf potenzielle Synergieeffekte zwischen den von BMWK geförderten Transformationsnetzwerken und den Weiterbildungsverbünden, erfahren welche charakteristischen Ansätze beide verfolgen und welchen Beitrag sie zur Stärkung der Weiterbildung leisten können.
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forum wbv: Bitte beschreiben Sie zu Beginn, was unter dem Begriff der Transformationsnetzwerke (TFN) zu verstehen ist?
Dirk Werner: Transformationsnetzwerke (TFN) sollen analog zu neuronalen Netzwerkarchitekturen die Geschwindigkeit und Qualität des Wissens- und Erfahrungstransfers erhöhen. Durch die Vernetzung der relevanten Akteure aus Unternehmen mit Forschungseinrichtungen, Kommunen, Sozialpartnern und anderen Netzwerkorganisationen in bestimmten Regionen und Branchen mit einem Schwerpunkt auf der Automobilindustrie sollen Wissen und Erfahrungen transportiert und damit verwertbar gemacht werden. Ziel ist es, innovative Ansätze zu verbreiten und damit umsetzbare Impulse für die Praxis zu liefern und so konkret zur digitalen Transformation beizutragen.
forum wbv: Welchen Beitrag leisten Ihrer Ansicht nach die TFN und Weiterbildungsverbünde (WBV) zur Stärkung der Weiterbildung in der jeweiligen Region bzw. in bestimmten Branchen?
Dirk Werner: Die TFN und WBV leisten einen Beitrag zur regionalen Vernetzung der Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft im jeweils relevanten Themenfeld. Sie etablieren für ihre Zielgruppen Kommunikationsstrukturen, schaffen Synergien und fördern den Austausch von Wissen und Methodenkenntnissen, zum Beispiel im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Arbeitskreisen. Dabei unterscheidet sich ihr Fokus: Während TFN spezifische Strategien für den Strukturwandel in ihrer Region für Zukunftsinvestitionen in Produktion oder Technologien entwickeln und umzusetzen sollen, steht bei den WBV die Erhebung des Weiterbildungsbedarfs und dessen Umsetzung im Vordergrund. Der jeweilige Beitrag zur Stärkung der Weiterbildung in den Regionen ist jedoch schwer messbar, weil viele Faktoren eine Rolle spielen. Insgesamt sind die Häufigkeit und der Stundenumfang je Beschäftigten in der betrieblichen Weiterbildung in den vergangenen Jahren gestiegen, wie unsere Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) belegt. Ein wesentlicher Treiber dafür ist der digitale Wandel. Daher können beide Netzwerke effektiv dazu beitragen, den vorhandenen Bedarf zu erheben und passende Angebote am Weiterbildungsmarkt zu entwickeln.
forum wbv: Welche Unterschiede zeigen sich zwischen WBV und TFN und welche Potenziale für Synergien lassen sich daraus ableiten?
Dirk Werner: TFN und WBV verfolgen unterschiedliche Ansätze. Während TFN technologiefokussiert Bedarfe für geeignete Maßnahmen der Vernetzung ableiten, bei denen Weiterbildung nur einen Aspekt ist, identifizieren WBV breiter den vorhandenen Weiterbildungsbedarf und koordinieren im Netzwerk passende Angebote. Bei Vorgehensweise und Zielgruppenansprache bestehen jedoch viele Gemeinsamkeiten. So binden sowohl TFN als auch WBV alle relevanten regionalen Stakeholder in ihre Aktivitäten ein. Potenziale für Synergien bestehen im fachlichen und methodischen Austausch. Dieser kann auf Technologiepfade und konkrete Themen fokussieren, um etwa im Bereich der Automobilindustrie Erkenntnisse und Weiterbildungsangebote zu emissionsfreien Antrieben auszutauschen, oder allgemein Erfahrungen zur erfolgreichen Ansprache und Einbindung von Unternehmen in den Blick nehmen.
forum wbv: Welche Erfolgsfaktoren in Bezug auf die Netzwerkarbeit können Sie für die WBV und die TFN aufzeigen?
Dirk Werner: Die beiden Initiativen sehen sehr ähnliche Erfolgsfaktoren für ihre Arbeit. Die effektive und kontinuierliche Vernetzung stellt ein Schlüsselelement des Erfolgs dar. Dabei werden von den WBV die regionale Vernetzung mit allen relevanten Arbeitsmarktakteuren und die Nutzung vorhandener Netzwerkstrukturen vor Ort, die Vernetzung der Bildungsträger mit den Unternehmen, der regelmäßige Austausch mit Projektpartnern, die Vernetzung mit Gewerkschaften sowie die Intensivierung der Vernetzung mit anderen WBV genannt. TFN vernetzen sich aufgrund ihrer technologischen Fokussierung zudem noch häufiger mit Forschungseinrichtungen sowie kommunalen Einrichtungen als WBV. Die informelle und persönliche Vernetzung mit relevanten Akteuren der Transformation wird somit von beiden Initiativbereichen als zentraler Erfolgsfaktor benannt. Dies wird durch zahlreiche innovative Veranstaltungsformate verstetigt, mittels derer Methodenkenntnisse, Best-Practice und themenspezifische Inhalte ausgetauscht werden. TFN geben an, meist mehr Unternehmen mit ihren Angeboten zu erreichen als WBV. Dies könnte mit der breiteren Themenpalette der Zielsetzung zusammenhängen.
Als weiterer Erfolgsfaktor wird der themenspezifische Austausch benannt. Hier wird bei den TFN eine reichhaltige Themenpalette bespielt; vom automatisierten Fahren über Datennutzung, Datensicherheit, ökologischem Fußabdruck bis hin zur Klimabilanzierung von Unternehmen und Lieferketten. Die Aufteilung von thematischen Inhalten zwischen WBV und themenspezifischen Qualifizierungsverbünden wird auch in diesem Netzwerk als erfolgsversprechende Vorgehensweise genannt. In allen Feldern sehen die beteiligten Akteure den Bedarf an einer noch intensiveren Arbeitsteilung und Abstimmung, um Synergieeffekte zu heben.
Alle Netzwerke halten die überregionale Koordinierung und Vermarktung ihrer jeweiligen Ansätze und Angebote für zentral. Ein zentrales Koordinierungszentrum wie das forum wbv kann daher wertvollen Austausch organisieren, um Doppelarbeiten zu vermeiden und Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bekannt zu machen, sowie die Qualität der Arbeit zu erhöhen. Darüber hinaus werden Potenziale durch die Begleitforschung der TFN im Rahmen des Expertenkreises Transformation der Automobilwirtschaft gehoben, durch die regelmäßige Impulse durch Kurzpapiere und Forschungsergebnisse bereitgestellt werden. Zudem wurden bereits digitale Austauschformate seitens der Projektträger für die Netzwerke untereinander organisiert.
Die geförderten Projekte aus beiden Initiativen wünschen sich dennoch, dass sie durch die Politik noch mehr öffentlichkeitswirksame Unterstützung erhalten, um effizienter arbeiten und eher zurückhaltende Netzwerkakteure und Unternehmen einfacher motivieren und einbeziehen zu können. Inzwischen finden bereits zahlreiche öffentlichkeitswirksame Präsenzveranstaltungen von Bundes- und Landesministerien in ausgewählten Bundesländern statt.
forum wbv: Was sind Hürden und erfolgshemmende Faktoren in Bezug auf die Netzwerkarbeit für die WBV und die TFN?
Dirk Werner: In den meisten Netzwerken sind die Sensibilisierung und die Überzeugung von Unternehmen eine zentrale Herausforderung. Diese gelingt umso besser, je vernetzter der jeweilige Projektträger vor dem Start der Aktivitäten bereits war und je besser der Zugang zur Zielgruppe über etablierte Gremien und Austauschkreise funktioniert. Schwierigkeiten bestehen immer dann, wenn angesprochene Unternehmen keinen großen Handlungsdruck im Thema sehen und der erwartete Nutzen aus ihrer Sicht einen größeren Zeit- und Ressourceneinsatz nicht rechtfertigt.
Bei einigen Initiativen hat es sich als Hemmnis gezeigt, dass keine einheitlichen Kommunikations- und Projektmanagementtools bereitgestellt und gemeinsame Indikatoren für die begleitende Evaluation und Erfolgsmessung genutzt wurden. Hier könnten einheitliche Standards die Effizienz der Netzwerkarbeit etwa über eine gemeinsame Vernetzungsplattform oder eine einheitliche Lernplattform für die bereitgestellten Weiterbildungsangebote und Trainings erhöhen und deren Qualität sichern.
forum wbv: Wie können in Zukunft solche Hürden und erfolgshemmende Faktoren von TFN und WBV bewältigt werden?
Dirk Werner: Hier hilft zum einen die Verstetigung der Aktivitäten. Die Etablierung von Angeboten und Marken benötigt Zeit, um eine Marktdurchdringung und Verbreitung zu erreichen. Hier wünschen sich alle Netzwerke frühzeitige Signale zur Weiterführung. Hilfreich kann es sein, einzelne Elemente und Beratungsangebote für Unternehmen frühzeitig und strategisch in eine Marktreife zu überführen.
Zum anderen ist der laufende überregionale und technologiebasierte Austausch hilfreich, um voneinander zu lernen, wie sich welche Hemmnisse am besten überwinden lassen. Analog zu Unternehmen helfen hier auch Netzwerke, gute Praxisbeispiele und der Austausch von innovativen Ideen und Methoden. Dieser sollte systematisch in der Projektförderung durch eine zentrale Koordinierung verankert werden. Der technologiebasierte Austausch könnte zudem auf strategischer Ebene entlang des gesamten Transformationsprozesses der Automobil- und Zuliefererindustrie ganzheitlich in den Blick genommen und gemeinsam bearbeitet werden. Weiterbildung und Qualifizierung sollen dabei als ein wesentlicher Teil der Transformation anerkannt und als Kernelement einer Umsetzungsstrategie in Unternehmen verankert werden. Dabei kann die Verbreitung guter Praxisbeispiele von qualifikatorischen Transformationspfaden dabei helfen, um Beschäftigten aufzuzeigen, wie eine veränderte Tätigkeit und ein Wechsel des Arbeitsplatzes gemeistert werden können.
forum wbv: Herr Werner, vielen Dank für das Gespräch!
Zum Weiterlesen:
Link zu: endbericht-der-begleitforschung_regionale-transformationsnetzwerke-und-weiterbildungsverbuende.pdf