Im Gespräch mit Dr. Markus Janser und Jana Kern vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) klären wir, was eigentlich Green Skills, Brown Skills und White Skills sind und welche Bedeutung diese im Rahmen von Fort- und Weiterbildung für die ökologische Transformation haben.
- Dr Markus Janser forscht am IAB mit dem Schwerpunkt auf den Arbeitsmarkt und den beruflichen Wandel im Zusammenhang mit ökologischer Transformation.
- Jana Kernforscht und promoviert am IAB zum Thema ökologische Transformation mit Fokus auf Weiterbildung.
forum wbv: Herr Dr. Janser, Sie haben sich mit den Green Skills, Brown Skills und den neutralen White Skills auseinandergesetzt. Was ist darunter zu verstehen und wofür ist es wichtig, diese Unterscheidung zu treffen?
Herr Dr. Janser: Wir erkunden am IAB in verschiedenen Aspekten die Entwicklung des Arbeitsmarktes und da ist die ökologische Transformation ein zunehmend wichtiger Veränderungsfaktor. Die Herausforderung bei der ökologischen Transformation ist, dass sie in unseren klassischen Daten schwer zu messen ist, weil es sich um ein Thema handelt, das quer zu den Berufs- und Branchenklassifikationen liegt, mit dem wir normalerweise die Akteur:innen identifizieren können. Deswegen verwenden wir einen task-basierten bzw. skill-basierten Ansatz und versuchen über die Kompetenzanforderungen eines Berufs zu gehen. Einerseits schauen wir, inwiefern umwelt- bzw. klimafreundliche Tätigkeitsinhalte sich da entfalten oder auch dazukommen bzw. was mit diesen Berufen passiert, die diese Green Skills haben. Auf der anderen Seite haben wir die Brown Skills, das sind Tätigkeitsinhalte, die eher umweltschädlich bzw. klimaschädlich sind, weil sie u.a. in Zusammenhang mit fossilen Verbrennungstechnologien oder energieintensiv sind wie z.B. im Bereich der Stahl- oder Papierindustrie. Als „Restmenge“ gibt es noch die sogenannten White Skills, welche ökologisch gesehen eher neutrale Tätigkeiten sind. Über die Sozialversicherungsdaten der Bundesagentur für Arbeit können wir die Beschäftigten identifizieren, die in diesen Berufen tätig sind und analysieren: Was haben sie für Beschäftigungsentwicklungen oder Arbeitslosigkeitsrisiken?
forum wbv: Lassen sich dort schon Trends erkennen hinsichtlich der Entwicklung von umweltschädlichen bzw. umweltschützenden Tätigkeitsanteilen?
Herr Dr. Janser: Aus unseren Daten zwischen 2012 und 2022 sehen wir eine Entwicklung dahingehend, dass immer mehr Berufe Green Skills in ihrem Kompetenzportfolio haben. Kein Beruf hat 100 Prozent Green Skills, aber es gibt immer mehr davon und da sprechen wir eben von der ökologischen Transformation der Berufe oder auch „Greening of Occupations“. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass in diesen Berufen mit Green Skills die Beschäftigungsnachfrage steigt. Diese Transformation der Beschäftigtenstruktur nennen wir das „Greening of Employment“.
forum wbv: Heißt das, dass Unternehmen mit mehr Green Skills-Tätigkeiten eine höhere Arbeitgeber:innen-Attraktivität haben?
Herr Dr. Janser: Das ist immer noch eine Blackbox. Wir sehen Veränderungen in der Beschäftigung, aber man kann spekulieren, was letztendlich den Ausschlag gibt. In unserer Studie zu den Betrieben in der ökologischen Transformation und auch in einem aktuellen Folgeprojekt sieht man, dass bestimmte Charakteristika, die eine gute Beschäftigung ausmachen, wie z.B. Tarifbindung, Lohnentwicklung, grundsätzlich bei Berufen mit Green Skills häufiger vorkommen. Deswegen könnte davon ausgegangen werden, dass das zur Attraktivität beiträgt.
forum wbv: Was müssen Unternehmen tun, damit sie gut auf die ökologische Transformation vorbereitet sind und wie können Beschäftigte gut mitgenommen werden?
Herr Dr. Janser: Betriebe haben ganz unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen. Es gibt Pioniere, die sind im ökologischen Bereich bereits gut aufgestellt. Sie tragen das als Unternehmensphilosophie von Anfang an mit und haben natürlich in dem Fall bessere Startbedingungen. Die Unternehmen, die eher langsam in Gang kommen, haben natürlich jetzt einen größeren Schritt zu tun. Sie müssen vor allem ihre Geschäftsmodelle entsprechend anpassen. Das heißt, wenn [das Thema Nachhaltigkeit] eben nicht in diese Kernprozesse einsickert, ist es schwierig, diese Transformation nachhaltig und langfristig zu begehen. Auch das Personal muss mitgenommen werden. Klar kann ich neues Personal einstellen, die diese Skills mitbringen. Ich kann ausbilden und versuchen, dass die Auszubildenden auch diese neuen Inhalte über die Berufsschule etc. mit ins Unternehmen bringen, aber ich muss auch das bestehende Personal abholen und das funktioniert eben in der Regel über Weiterbildung. Diese sogenannten Umweltinnovationen sind auch ein Schlüssel. In einer früheren Studie aus dem Jahr 2015 von Jens Horbach und mir mit dem Titel „The role of innovation and agglomeration for employment growth in the environmental sector“ machen wir z.B. deutlich, dass das erst durch diese neuen Produkte und Dienstleistungen gelebt wird.
forum wbv: Welche Bedeutung hat die Fort- und Weiterbildung für die ökologische Transformation?
Frau Jana Kern: Wir haben einen Fachkräftemangel gerade in den Berufen, die jetzt viel wichtiger werden und die durch die ökologische Transformation in den Vordergrund rücken. Das wird sich verschärfen, wenn wir nicht die Arbeitnehmer:innen mitnehmen, die wir aktuell schon haben. Vor allem ältere Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis mit hohem Transformationsdruck sind hier auch zu berücksichtigen. Wenn wir diese nicht frühzeitig mitnehmen, verlieren wir sie beispielsweise durch Frühverrentung. In einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht derzeit ein Team aus IAB und RWI, wie sich bestimmte Berufsgruppen verhalten, also zum Beispiel: Sieht man bei Berufen mit Brown Skills oder Green Skills Muster von verstärkter beruflicher Mobilität? Wir untersuchen zudem, ob es bestimmte Gruppen gibt, bei denen das vermehrt zutrifft, damit man da frühzeitig ansetzen kann, und Handlungsempfehlungen für weitere Weiterbildungsakteure aussprechen kann. Das ist unser Fokus.
forum wbv: Welche Handlungsbedarfe ergeben sich denn daraus für die Weiterbildungsakteure?
Herr Dr. Janser: Es ist erst einmal wichtig, sich mit dem Thema der ökologischen Transformation insgesamt auseinanderzusetzen. Dazu zähle ich auch die Bundesagentur für Arbeit sowie die öffentliche Verwaltung. Gerade in einem neuen Feld, ist es wichtig für die Akteure, Netzwerke zu bilden und Wissensträger:innen hinzuzuziehen, die ihre Expertise einbringen. Das heißt jetzt in der Nachhaltigkeitsbildung Beratungsangebote für besonders positiv oder negativ betroffene Betriebe zu schaffen und diese auch proaktiv anzusprechen. Da gibt es noch eine Lücke.
Wichtig ist auch, Angebote konkret auf den einzelnen Betrieb abzustimmen, weil jeder Betrieb von einer anderen Position aus startet. Ein weiterer Aspekt ist die präventive Weiterbildungsberatung für Beschäftigte. Nicht jedem Betrieb ist klar, wo er genau steht und welchen Transformationsdruck er hat. Aber die Beschäftigten brauchen ebenfalls ein Angebot, sich selbst weiter bilden zu können unabhängig vom Betrieb, auch um sich abzusichern oder fit zu machen für die Transformation. Last but not least braucht es moderne Online-Angebote, die das Thema Green Skills mit aufnehmen.
Auch Bildungsträger und -personal kommen nicht umhin, sich auf den Weg zu machen. Da ist Lernen notwendig, ein Train-the-Trainer im Prinzip und natürlich: einfach machen! Es gibt viel Unsicherheit in dem Feld und die Rahmenbedingungen ändern sich ständig. Das erschwert die Situation zusätzlich. Es ist jedoch nicht sinnvoll, auf die ultimative Regelung zu warten, sondern sich in kleinen Prototypen dem Thema anzunähern.
forum wbv: Das Thema ökologische Transformation und Weiterbildung ist noch ein recht junges Thema. Woran arbeiten Sie genau weiter?
Herr Dr. Janser: Das BMAS fördert seit Sommer diesen Jahres eine Nachwuchsforschungsgruppe: Ökologische Transformation, Arbeitsmarkt, Aus- und Weiterbildung. Wir schauen uns die Schnittstelle zwischen Arbeitsmarkt und Themen der Transformation in ihrer ganzen Breite an. Die Weiterbildung ist dabei zentraler Faktor.
Frau Kern: Wir können dann sehen, welche Berufsgruppen sich wie verhalten. Der Fokus liegt auf sozialen Unterschieden und der Altersstruktur. Da vermute ich sehr starke unterschiedliche Einflüsse durch die ökologische Transformation auf die Weiterbildungsbeteiligung. Einfach weil die Motivation auch bei älteren Beschäftigten eine andere ist. Die Jüngeren starten bereits ganz anders durch Ihren aktuellen Wissensstand aus der Ausbildung, in der Green Skills auch immer häufiger schon eine Rolle spielen. Ungelernte oder angelernte Beschäftigte nehmen immer noch am seltensten an Weiterbildung teil, sind aber teilweise am stärksten von der ökologischen Transformation betroffen, weil sie überdurchschnittlich häufig in Berufen mit Brown Skills tätig sind. Wir sollten verhindern, dass wir Transformationsverlierer in diesen Gruppen haben, die sowieso schon benachteiligt sind. Auch Frauen sind möglicherweise betroffen, weil sie eher in den Berufen mit White Skills arbeiten und vielleicht dadurch Einkommenseinbußen haben. Tatsächlich zeigen internationale Studien, dass Berufe mit Greens Skills tendenziell höhere Löhne haben. Inwiefern sich das auch in Deutschland widerspiegelt schauen wir uns ebenfalls in einem Projekt der Nachwuchsgruppe an.