Im Gespräch befragten wir zwei der Verbundpartner zu ihrer konkreten Zusammenarbeit. René Trolldenier von der Firma Wersoma und Ines Brückner vom Europäischen Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft (EBG) in Magdeburg

forum wbv: Herr Trolldenier, was ist genau Ihre Aufgabe bei der Firma Wersoma?

Herr Trolldenier: Ja, die Firma Wersoma, ist ein KMU mit ca. 50 Mitarbeiter:innenn. Wir sind im Bereich Sonder-Maschinenbau tätig und fertigen Spannvorrichtungen für verschiedene Teile; vor allem für den Automotive Bereich. Ich bin dort in dem Bereich Programmierung tätig.

forum wbv: Ihr Unternehmen hat sich vor einiger Zeit entschieden, im Weiterbildungsverbund Automotive Sachsen-Anhalt (WASA) aktiv zu sein. Was waren die Beweggründe dafür?

Herr Trolldenier: Die Intention ging in erster Linie von unserem Geschäftsführer aus. Wir haben ein großes Interesse daran, weil wir die Transformation sehr stark mitbekommen, vor allem innerhalb der letzten 5 Jahre.
Knapp 100% der Aufträge kamen immer über Automobilzulieferer. Jetzt sind es nur noch ca. 70% und im Zuge dessen mussten wir viele Sachen ändern. Wir haben versucht, neue Geschäftsfelder aufzubauen und probieren beispielsweise in der Medizintechnik weiter Fuß zu fassen. Das ist relativ schwierig, denn es gehören viele neue Technologien dazu, aber unser Geschäftsführer ist sehr umtriebig und hat sich gleich im WASA Verbund engagiert.

forum wbv: Was ist der Mehrwert für Ihr Unternehmen in dem Verbund?

Herr Trolldenier: In erster Linie wirklich die aktive Zusammenarbeit mit Trägern die man sonst nicht hat. Aus der Zusammenarbeit sind dann auch konkrete Entwicklungsmodelle mit den Bildungsträgern für die Weiterbildung unserer Mitarbeiter:innen entstanden. Das ist ein besonderes Thema bei uns, weil wir viele ältere Mitarbeiter:innen haben, die auch schon sehr lange bei uns beschäftigt sind und auch an älteren Maschinen arbeiten. Im Rahmen der technologischen Neuausrichtung unseres Unternehmens mussten wir neue Maschinen anschaffen und die Mitarbeiter:innen weiterbilden –  auch jene, bei denen die (Weiter)bildungsmotivation zunächst nicht so stark vorhanden war. Das war ein großes Thema und da haben wir uns zusammengetan mit Ines Brückner vom EBG und versucht, Methoden zu entwickeln und diese Mitarbeiter:innen an Weiterbildung heranzuführen.

forum wbv: Wie sind Sie da rangegangen, als Sie gehört haben, es gibt einen Bedarf, vielleicht auch mit Beschäftigten im Betrieb, die das Lernen nicht mehr so gewöhnt sind? Was waren die Herausforderungen und wie haben Sie sich dem Thema genähert?

Fr. Brückner: Ich komme vom Europäischen Bildungswerk hier in Magdeburg und wir sind mit dem Anspruch in den Verbund WASA gegangen, neue Wege in der Weiterbildung zu gehen für Mitarbeiter:innen in Unternehmen. Dabei haben wir ganz schnell am Anfang des Projektes festgestellt, dass die Unternehmen unterschiedliche Bedarfe haben und uns überlegt, wie wir diese Bedarfe ermitteln und wie wir auf diese eingehen können. Es hat sich gezeigt, dass gerade ältere Mitarbeiter:innen in den Unternehmen einen Bedarf an Weiterbildung haben, den sie aber selber oft gar nicht sehen. Ganz konkret ist hier die Firma Wersoma an uns herangetreten und hat gesagt: wir haben verschiedene Mitarbeiter:innen, die derzeit an alten Maschinen arbeiten. Diese Maschinen werden wir nicht mehr neu kaufen, wir wollen diese Mitarbeiter:innen aber unbedingt im Unternehmen halten und möchten sie an die Arbeit an anderen Maschinen heranführen.

Da haben wir überlegt, wie wir helfen können und Module entwickelt, wie wir die Mitarbeiter:innen schrittweise an dieses Thema Weiterbildung heranführen. Dazu sind wir erstmal in das Unternehmen gegangen. Ganz unverbindlich haben wir die Mitarbeiter:innen an ihren Arbeitsplätzen besucht und uns ein Bild davon gemacht, was sie an ihren Arbeitsplätzen machen.
In einem zweiten Schritt sind die Mitarbeiter:innen dann auf unsere Einladung hin in das Bildungswerk gekommen. Über biographische Interviews kamen wir mit ihnen in das persönliche Gespräch. Durch dieses Erzählen über ihr Leben sind viele Sachen herausgekommen.

 

Wir haben festgestellt, dass durchaus eine Bildungsmotivation da ist,

aber man muss es altersstrukturiert und auch altersgemäß machen.

Das war ein wichtiges Ergebnis dieser Gespräche.

 

Außer diesen Gesprächen konnten die Mitarbeiter:innen sich unseren Maschinenpark anschauen, wo auch die Weiterbildung stattfinden könnte. Sie konnten dann mit einem Fachmann bei uns aus der Verbundausbildung sprechen. Das hat die Motivation sehr nach oben gebracht.

Unser Fazit ist, dass die Bildungsmotivation doch vorhanden ist, wenn es spezifisch auf die:den Mitarbeitende:n und auch auf das Unternehmen zugeschnitten ist. Das hat uns wieder dazu gebracht, uns mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen, um zu klären, was genau die Mitarbeiter:innen können müssen. Daraus haben wir verschiedene Module, die wir schon lange durchführen und die auch zertifiziert sind, entsprechend für die Mitarbeiter:innen neu zusammengestellt. Zum Ergebnis kann sicherlich Herr Trolldenier etwas sagen.

Herr Trolldenier: Wir sind ja noch aktiv dabei. Also ein positiver Aspekt ist auf jeden Fall, dass sich durch die Herangehensweise und die Zusammenarbeit mit der EBG aus einer sehr ablehnenden Haltung etwas völlig anderes entwickelt hat und herausgekommen ist, dass eine Motivation vorhanden ist.

Wir sind sehr froh, dass wir diesen Weg gegangen sind, weil es uns echt als Firma hilft. Fachkräftemangel ist ja ein großes Thema und wir müssen sehen, dass wir Mitarbeiter:innen so lange wie möglich halten und binden.

forum wbv: Wie gelingt es, diese Lernmodule in den Betriebsalltag zu integrieren?

Herr Trolldenier: Ja, also durch individuelle Lösungen, die mit dem Unternehmen ganz eng abgestimmt sind.

Die Mitarbeiter:innen sind ja auch im Produktionsprozess eingeplant. Es ist ein Problem, diese für ein, zwei oder drei Wochen aus dem Produktionsprozess herauszunehmen.

Insofern haben wir es also individuell so gelöst, dass die Mitarbeiter:innen einmal für 2 Tage gekommen sind, einmal für 3 Tage. Das wird sich weiter fortsetzen, dass sie Weiterbildung und Einsatz im Unternehmen immer im Wechsel haben. Uns ist es wichtig, dass sie während der Weiterbildung auch nicht so entkoppelt sind vom Unternehmen, sodass sie das, was sie gelernt haben oder wo sie sich weitergebildet haben, dann auch im Unternehmen gleich anwenden können. So können sie mit konkreten Fragen, die sich dann bei der Anwendung ergeben haben wieder in die nächste Phase gehen.

Frau Brückner: Also das Ergebnis für uns ist eigentlich, dass man die Angebote noch stärker auf die Bedarfe der Unternehmen und der Mitarbeiter:innen in den Unternehmen anpassen muss. Wir als Bildungsträger bzw. Bildungsdienstleister, haben viele Angebote, die auch zertifiziert sind, mit denen wir schon sehr lange arbeiten, aber sie müssen auf das jeweilige Unternehmen entsprechend angepasst werden. Schlussendlich kann man also sagen, …

 

…nicht die Unternehmen sollen sich den Angeboten anpassen,

sondern die Angebote müssen sich den Unternehmen anpassen…

 

…und das wird denke ich mal für die Zukunft ein spannendes Feld.

Herr Trolldenier: Ebenso braucht es ja auch diese kleinen Portionen an Lernstoff, die auch aufgenommen werden können. Also dass nicht eine Woche Schulung voller Information und Theorie stattfindet, sondern es sind auch die kleinen Häppchen die weiterbringen.

forum wbv: Wie geht es jetzt weiter? Wie ist die weitere Planung?

Frau Brückner: Wir werden die Module, die wir jetzt erarbeitet haben, in eine entsprechende Form bringen, sie als Module eventuell auch zertifizieren lassen. Je nachdem, wie wir es dann auch in eine Finanzierungsform bekommen wollen. Wenn wir das zum Beispiel über landesinterne Mittel finanzieren wollen, muss es für unsere KMUs schon zertifiziert sein und wir werden das jetzt sicherlich Stück für Stück auf andere Unternehmen ausweiten. Wir können uns gut vorstellen, mit diesem Ansatz, mit dieser Analyse und den Interviews in weitere KMUs zu gehen und dann auch dort die entsprechenden Angebote zu unterbreiten. In der Zusammenarbeit mit Wersoma werden wir das sicherlich auf den einen oder anderen Mitarbeiter:innen ausweiten und schauen, wo sind weitere Bedarfe. Also nicht nur bei den etwas älteren Kolleg:innen, sondern auch vielleicht bei anderen Kolleg:innen, die dann noch neue Fertigungsprozesse lernen sollen.

Herr Trolldenier: Ja, dem schließe ich mich an. Der Anfang ist gemacht.
Die Ergebnisse sind auf jeden Fall positiv und wir werden sehen, dass wir das irgendwie weiter nutzen. Im Moment sind wir im Rahmen des WASA-Verbundes sozusagen noch im Betatest für die Module, die das EBG entwirft, aber ich denke mal, wenn das richtig alles ausgearbeitet ist und zum Teil auch gefördert werden kann, dann sehe ich der ganzen Sache positiv entgegen.

Frau Brückner: Was für uns als Träger eben auch ganz wichtig ist, dass wir in diesem Bereich nicht auf riesige Gruppengrößen abstellen müssen. Also es müssen nicht 10, 11, 12 Teilnehmer sein, sondern es können Kleinstgruppen sein. Es kann auch eine Einzelbeschulung sein und das ist denke ich mal auch für die Zukunft ganz, ganz wichtig.

forum wbv: Was möchten Sie aus Ihrer jetzigen Erfahrung mit diesem kleinen Modell-Versuch auch anderen Verbundprojekten mit auf den Weg geben?

Herr Trolldenier: Als wir bei uns im WASA-Verbund angefangen haben, da hat halt jeder so seine eigenen Sichtweisen gehabt. Dank dieses Weiterbildungsverbundes ist diese Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, KMUs und Bildungsträgern ein bisschen verschmolzen und man hat auch viel mehr Einblick in die Bildungsträgerlandschaft bekommen und der Bildungsträger hat sicherlich mehr Einblicke in die Fertigung bzw. in unser Unternehmen bekommen und das, was wir benötigen. Anderen Weiterbildungsverbünde möchte ich mitgeben, vielleicht zunächst zu versuchen, mit kleinen Schritten heranzugehen und vor allem transparent zu sein und zu kooperieren. Nicht zu versuchen hier irgendwie was drüber zu legen, eine vorgefertigte Folie, ein Plan, ein Konzept nach dem Motto: das ist unser Konzept, das machen wir jetzt so. Sondern das muss schon zusammen verzahnt und abgestimmt sein, dann kommt auch etwas dabei raus.

Frau Brückner: Ja, die Bedarfe zeigen sich in der Zusammenarbeit, und das was Herr Trolldenier schon gesagt hat, das Verschmelzen der Unternehmen mit den Trägern, mit den Bildungsträgern, diese Zusammenarbeit und dieses Arbeiten auf Augenhöhe, das ist ganz wichtig! Auch dass man sich gegenseitig zuhört und versteht, was der andere macht und in welchen Zwängen der andere steckt, wo die Grenzen sind und wo man dann auch gemeinsam an diesen Grenzen ein Stückchen rütteln kann. Aus den Gesprächen ergeben sich oft Neuerungen. Know How entwickelt sich meistens in Gesprächen und das ist eigentlich ein ganz wichtiger Punkt aus unserem Verbund.

forum wbv: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)