Herr Brandt, Sie sind beim Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) beschäftigt und haben die Projektleitung für den WBV InSkills2Go inne. Ganz kurz: Von wem kam die Initiative für diesen Weiterbildungsverbund? Und wo haben Sie Handlungsbedarf gesehen?
Wir sind gemeinsam mit der Landesvereinigung der Unternehmerverbände in Rheinland-Pfalz e.V. (LVU) Konsortialführer in diesem Projekt und von uns zusammen kam die Initiative, uns auf die Ausschreibung zu bewerben.
Die Grundidee dahinter war, Weiterbildungen als ganz wichtiges Instrument für Unternehmen zum Umgang oder zur Bewältigung mit Transformationsthemen hervorzuheben. Gerade auch vor dem Kontext des Fachkräftemangels. Das war die Initialzündung, warum wir gesagt haben, das ist genau das Richtige für uns. Davon werden viele Unternehmen profitieren. Wir wollten auch einen besonderen Branchenschwerpunkt setzen, wo das Thema ganz besonders drängt, deshalb haben wir den Schwerpunkt auf die Metall- und Elektroindustrie und die Chemieindustrie gesetzt. Später haben wir es auch für den Automotive-Bereich geöffnet, weil wir gemerkt haben, in der Wertschöpfungskette dieser Branchen spielt das auch eine Rolle. Wir hatten dann eben viele Unternehmen dabei, die aus dem Automotive-Bereich kommen.
Und wir haben gesagt, gerade das Wissen darüber, was und wo qualifiziert werden muss, ist bei vielen Unternehmen, insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), noch nicht vorhanden. Viele wissen natürlich, dass sie Weiterbildung und Qualifizierung benötigen. Aber welche Kompetenzen? Wo soll die Reise hingehen? Da haben wir gesagt, wir möchten etwas entwickeln und helfen. Im festen Konsortium mit den Arbeitgeberverbänden haben wir aber auch gleich vorab gesagt, es geht nicht ohne weitere Partner und haben uns regelmäßig mit Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit, mit den Kammern oder auch mit Bildungsträgern ausgetauscht.
Sie haben PYTHIA und SYBIL entwickelt und eine Suche-Biete-Plattform für Unternehmen bereitgestellt. Welchen konkreten Mehrwert haben Unternehmen davon?
Hier geht es genau um das Thema, was gerade schon angesprochen wurde: Wo soll die Reise hingehen? Welche Bedarfe werden benötigt? Dafür sind die beiden Tools PYTHIA und SYBIL zuständig. PYTHIA ist für das Gesamtunternehmen zuständig und soll die Unternehmen strukturiert an eine strategische Personal- und Kompetenzplanung heranführen und den Soll- und Ist-Bedarf feststellen. Insbesondere auch für KMU, weil diese eben häufig nicht die Ressourcen haben, um das selbst durchzuführen. Wir haben ein Kompetenztableau entwickelt, das zum Beispiel aufzeigt, welche Kompetenzen relevant sind, die wir in unserer Forschung für den Weiterbildungsverbund auch identifiziert haben. Mit PYTHIA können Fragen zu Planung der kommenden 2 bis 3 Jahre beantwortet werden, wie: Welche Kompetenzen brauche ich in den nächsten 2 bis 3 Jahren? Welche Möglichkeiten gibt es dafür? Was muss beachtet werden? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
SYBIL macht im Prinzip fast dasselbe, geht allerdings noch mal eine Nummer tiefer und schaut dann wirklich in die einzelnen Teams. Welche Bedarfe bestehen da ganz konkret an Weiterbildungsangeboten und an Kompetenzen? Das sind eben diese beiden Tools und unsere Suche-Biete-Plattform „InSkills2Match“ soll dann einen Schritt weitergehen. Unternehmen wissen dann, was sie brauchen und können auf der Plattform nach passenden Angeboten suchen. Eine Besonderheit von InSkills2Match ist zum einen, dass dort Unternehmen die Möglichkeit haben, sich auszutauschen zu den Themen, weil wir ganz oft festgestellt haben, auch in der Zusammenarbeit mit den Unternehmen, dass das ein ganz großer Wunsch ist, auch mal zu gucken, was machen denn die anderen da, wo gibt es Möglichkeiten für Hospitationen, für einen ganz simplen Austausch per Chat, für gemeinsame Workshops. Das findet alles auf dieser Plattform statt. Gleichzeitig gibt es dort aber auch Angebote von Weiterbildungsträgern. Eben mit dem Branchenfokus und mit dem Future-Skills-Fokus.
Vielen Dank. Ich würde gerne noch auf ein weiteres Thema eingehen und zwar die regionale Kampagne „Die Pfalz qualifiziert“, bei der auch der Weiterbildungsverbund Mitglied ist. In diesem Zuge haben Sie gemeinsam mit Partnern wie der Bundesagentur für Arbeit, der IG Metall und den Kammern einen Pop-Up-Store eröffnet. Wie ist diese sogenannte „out-of-the-box“-Idee zustande gekommen?
Wir sind Teil dieser Initiative „Die Pfalz qualifiziert“ mit vielen verschiedenen Partnern, mit den Arbeitsagenturen in der Pfalz, mit der HWK, IHK und der IG Metall. Wir haben gemeinsam eben überlegt: Wie kann man denn eigentlich mal ganz konkret zusammenarbeiten und konkret auch ein Projekt auf die Beine stellen? Auch mit dem Ziel, an unsere Zielgruppen zu denken und dieser einen guten und strukturierten Überblick zu den Weiterbildungsangeboten zu geben. Jeder hat eigene Angebote, es wäre aber auch nützlich, wenn man gegenseitig auf Angebote verweist oder auch gemeinsam Dinge anpackt. Das war erstmal die Grundidee hinter dieser Initiative. Die Details haben wir gemeinsam in mehreren Sitzungen abgestimmt und überlegt, was kann man denn da an Projekten starten? Und dann kam die Idee auf, mal einen Pop-Up-Store umzusetzen. In Ludwigshafen in der Rheingalerie. Das ist eine große Shopping Mall, in der glücklicherweise eine Ladenfläche zur Verfügung stand. Und wir haben einfach gesagt, das ist mal etwas anderes, das ist mal ein neues Setting, ein neues Umfeld. Es war wichtig zu zeigen, wir haben hier ein gemeinsames Angebot und verschiedene Partner arbeiten zusammen.
Was nehmen Sie aus den drei Monaten Pop-up-Store mit? Ist eine Übertragung in andere Regionen denkbar?
Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden damit, auch mit dem Zulauf und der Berichterstattung darüber. Der Pop-Up-Store kam gut an, es konnten viele auch qualitativ hochwertige Beratungen stattfinden. Zudem hat der Pop-Up-Store für Aufmerksamkeit gesorgt, die unsere Angebote auf diese Weise eher selten erfahren. Wir haben auch ein paar Learnings mitgenommen, wie wir das bei möglichen Fortsetzungen und nächsten Projekten anders machen würden. Zum Beispiel haben wir gelernt, wenn man in einem Ladengeschäft quasi ein Beratungs- und Veranstaltungsbüro aufbaut, sind manche Menschen teilweise etwas gehemmt auch hineinzukommen. Ein kleiner Stand vor dem Laden wäre da eben auch sinnvoll. In Teilen haben es die Partner auch schon gemacht, also Leute, die offenkundig Interesse zeigten, auch mal vor dem Laden abzuholen und die Hürde zu nehmen überhaupt in den Laden zu gehen.
Am 4. März 2024 fand die Abschlussveranstaltung von InSkills2Go statt. Wie kann das, was Sie im Weiterbildungsverbund entwickelt haben, weitergenutzt werden? Was braucht es, um die guten Lösungsansätze in die Fläche zu tragen und ggf. auch zu verstetigen?
Also unsere Tools und unsere Plattformen stehen allen kostenfrei auf unserer Homepage zur Verfügung und können auch nach Projektende weiterhin genutzt werden. Wir stehen weiterhin für kurze Anfragen zur Verfügung. Unsere Kontaktdaten sind dazu noch auf der Webseite. Auch unsere Veranstaltungen sind alle auf der Webseite dokumentiert. Dort gibt es Informationen zu Transformationsthemen, zur Fachkräftesicherung, zum Recruiting, zu Förderansätzen – also ganz verschiedenen Themen, die uns die Unternehmen mitgeteilt haben.
Zudem sind wir auch Teil der Initiative „Rheinhessen qualifiziert“ und möchten auch dort unsere Erfahrungen teilen und mit den Akteuren vor Ort zusammenarbeiten. Es ist, wenn man für ein gesamtes Bundesland zuständig ist, manchmal herausfordernd. Wir haben festgestellt, das klappt auf regionaler Ebene sehr viel besser. Weil man Dinge unmittelbarer umsetzen kann und die Wege etwas kürzer sind. Dabei ist es auch wichtig, sich stetig abzustimmen und dranzubleiben. Das hat in der Pfalz und in Rheinhessen gut funktioniert, das kann in anderen Regionen natürlich auch der Fall sein, es hängt auch ganz stark von der Offenheit der Akteure ab. Dasselbe gilt auch für Initiativen oder Kleinprojekte wie dem Pop-Up-Store; auch da ist es ganz wichtig, dass man an einem Strang zieht und zusammenarbeitet.
Zusammenfassend kann man dann sagen: Es ist zum einen wichtig, Teil eines Netzwerks zu werden. Wirklich zu schauen, wer sind die zentralen Akteure, wie können wir sie unterstützen und wie können wir gleichzeitig auch mitmachen, um bessere Angebote für die Zielgruppen zu schaffen und um Reichweite für den Weiterbildungsverbund zu erlangen. Zum anderen ist es wichtig, dass Angebote flexibel gestaltet, im Feld getestet und auch auf die Unternehmen in der Region angepasst sind.