Durch die Digitalisierung gewinnt Agilität in der Arbeit zunehmend an Bedeutung. Sehr kurz zusammengefasst und stark vereinfacht bedeutet „Agilität im Arbeitskontext“ die Kompetenz von Teams und Organisationen, in sehr kurzen Zeitabschnitten (Iterationen) erfolgreich auf Veränderungen und sich bietende Chancen reagieren zu können. Ein Erfolgsvorteil von Agilität ist, dass im Rahmen dieser Arbeitsweise durch kürzere, wiederkehrende Arbeitszyklen und flache Hierarchien schneller und effektiver auf spontane Kundenwünsche und gesellschaftliche Herausforderungen reagiert werden kann.

Agilität kann aufgrund kurzer Entscheidungswege und selbstorganisierter Teams Vorteile bieten, wie zum Beispiel mehr Handlungsspielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Doch psychische Belastungen sowie Arbeitsverdichtung und -intensivierung sind nicht zwangsläufig geringer. Zeitdruck, Unterbrechungen, Überstunden und Mehrarbeit sind häufige Begleiterscheinungen. (Vgl. Neumer et al., 2022, S. 9.) Im Rahmen des diGAB-Projekt wurden konkrete Maßnahmen für gute agile Arbeit zur Vermeidung von Belastungsdynamiken entwickelt.

Passende agile Arbeitswerkzeuge

Im Rahmen der Transformation der Arbeit können agile Frameworks wie Scrum, OKR oder SAFe, agile Methoden wie Design Thinking und Kanban sowie diverse digitale, kollaborative Tools das Gerüst und eine Anleitung für agile Arbeitsweisen liefern. Den Überblick zu bekommen, welche Rahmenbedingungen, Methoden oder Tools den individuellen Bedürfnissen gerecht werden, ist eine Herausforderung.

Es gibt verschiedene Anlaufstellen für kleine und mittlere Unternehmen, die bei der (agilen) strategischen Ausrichtung und bei der Auswahl von Digitalisierungstechnologien unterstützen können, wie z.B. Regionale Weiterbildungsverbünde, Zukunfts- und Transformationszentren  oder auch die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA).

Qualifizierung ermöglichen

Bei der Einführung agiler Arbeitsmethoden besteht die Notwendigkeit, Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen. Denn die neue Technik, die neuen Methoden und Rollen sowie die damit verbundenen neuen Kompetenzen müssen erst erlernt und erprobt werden (Baukrowitz & Hageni, 2020, S. 74). Dafür muss Zeit in Form von betrieblichen Angeboten der Weiterqualifizierung, aber auch Raum für persönliche Fähigkeiten und Entwicklung im Arbeitsalltag geschaffen werden; dies ist für „Gute Arbeit“ essenziell (DGB, 2022, S. 28).

Unternehmenskultur fördern

Agilität im Kontext der Arbeit ist mehr als die technisch/mechanische Implementierung von Arbeitsabläufen. Sie benötigt ebenso eine neue Unternehmenskultur. Eine Kultur, die einen dialogischen Prozess ermöglicht, bzw. psychologische Sicherheit bietet, sei die eigentliche agile Kerntechnologie in Zeiten der heutigen Unsicherheit (Clark, 2022).

Mitbestimmung  von Anfang an

Für die Etablierung einer guten Unternehmenskultur und agiler, digitaler Arbeitsweisen tragen die Akteure, die im Unternehmen mitbestimmen können, Verantwortung. Denn sie gestalten vor Ort die digitale Transformation von Arbeit (Mitbestimmungspraxis, 2020, S. 86). Erhalten die Beschäftigten die Möglichkeit mitzubestimmen und werden sie beim Change-Management beteiligt, dann steigt auch ihre Bereitschaft, sich auf agile Arbeit einzulassen und sich aktiv an der Transformation zu beteiligen (Baukrowitz & Hageni, 2020, S. 19).

Zudem sind Beschäftigte die Experten ihrer eigenen Arbeit. Ihre Beteiligung sowie diverse, crossfunktionale Teams bringen verschiedene Blickwinkel ein und insgesamt Vorteile für die Abstimmung von neuen Prozessen.

Führung anders denken

Unternehmen brauchen empowerte Mitarbeitende, die selbstorganisiert und motiviert den Wandel der Arbeit begleiten. Sie benötigen Führungskräfte, die sich in der sich verändernden Rolle explorativ neu denken, um im agilen Unternehmen der Zukunft gemeinsam gut arbeiten zu können (vgl. Mosch & Horn, 2019, S.11).

Zwar werden klassische Führungsstile, wie z.B. ein machtzentrierter autoritärer Führungsstil, zunehmend abgelöst, aber Führungskräfte sind weiterhin in der Verantwortung, Anweisungen und die Richtung vorzugeben. Anders ist, dass sie auf einen Teil ihrer Entscheidungsmacht verzichten sollten, sodass die empowerten Beschäftigten wirklich selbstorganisiert arbeiten und in den zunehmend herausfordernden, komplexer werdenden Tätigkeitsbereichen, in ihren Teams als Expert*innen Entscheidungen treffen können.

Regelungen – verbindlich und transparent gestalten

Die digitale Transformation bietet Chancen, aber auch Risiken:

  • Mobiles Arbeiten kann Beschäftigten mehr Zeitfreiheit, bessere Work-Life-Balance und Entscheidungsfreiheit ermöglichen, kann aber auch dazu führen, dass Beschäftigte weniger Raum am Arbeitsplatz bekommen und/oder, dass die Infrastruktur anderweitig vermietet wird, bzw. nicht mehr den Beschäftigten zur Verfügung steht (DGB Bildungswerk BUND e.V., 2020, 12f.).
  • Agile Tools können die zeit- und ortsunabhängige Zusammenarbeit ermöglichen, aber auch als Instrument zur Steigerung von Arbeitsdichte, Kontrolle und Entgrenzung der regulären Arbeitszeiten hin zu gesundheitsschädlicher ständiger Erreichbarkeit dienen.

Daher sind Vereinbarungen, Regelungen und Verantwortlichkeiten, die für alle transparent, nachvollziehbar und möglichst an die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens und der Beschäftigten angepasst sind, unabdingbar.

Kleine und mittlere Unternehmen können von den Erfahrungen anderer profitieren, denn: „Mittlerweile liegt eine Vielzahl von Betriebsvereinbarungen zu agilem Arbeiten vor. Sie bieten zwar keine Patentrezepte, aber Anregungen zum Regelungsbedarf und ggf. auch zu punktuellen Lösungen. Dabei wird nur vereinzelt der Übergang in eine agile lernende Organisation mit neuer Führungs- und Unternehmenskultur konsequent durchformuliert.“ (Baukrowitz & Hageni, 2020, S. 85).

Fairness im Betrieb – gute Arbeit für alle

Digitale und agile Prozesse werden zunehmend in Unternehmen eingeführt. Beschäftigte und Unternehmen können davon profitieren, doch Agilität ist nicht immer in jedem Bereich des Unternehmens umsetzbar. Daher gilt es auch Beschäftigten, die von den Vorteilen der agilen Arbeitsweisen und neuen Arbeitsmodellen ausgeschlossen sind, ebenso Alternativen im Rahmen der Transformation der Arbeit anzubieten und auch ihnen „Gute Arbeit“ weiterhin zu ermöglichen.

Infobox zum Weiterlesen:

Quellen

  1. Baukrowitz A. & Hageni, K.H. (2020). Agiles Arbeiten mitgestalten. Strategie und Handlungsfelder der Mitbestimmung. In: Hg. Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Mitbestimmungspraxis No 30, S. 8-29.) Agiles Arbeiten mitgestalten – Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) in der Hans-Böckler-Stiftung (imu-boeckler.de)(Zugriff am 05.05.2023)
  2. Clark, T., (2022).: Agile Doesn’t Work Without Psychological Safety, Harvard Business Review. Agile Doesn’t Work Without Psychological Safety (hbr.org) (Zugriff: 08.05.2023)
  3. DGB Bildungswerk BUND e.V. (Hg.) (2020): Transformation weltweit. Für Gute Arbeit im digitalen und ökologischen Wandel. DGB BW_NSN_2020_Transformation_weltweit.pdf (dgb-bildungswerk.de) (Zugriff: 05.05.2023)
  4. Ehemann, T., Zavareh, M. T., Göbel, J. C., Dupont,S., Zink, K. J., Siedler, C. et al. (2021): Mit dem InAsPro Transformationskonzept die Digitalisierung planen. In: Bauer, W., Mütze-Niewöhner, S., Stowasser, S., Zanker, C. & Müller, N. (Hrsg.): Arbeit in der digitalisierten Welt – Praxisbeispiele und Gestaltungslösungen aus dem BMBF-Förderschwerpunkt (S. 205 – 220). Springer Vieweg. Arbeit in der digitalisierten Welt: Praxisbeispiele und Gestaltungslösungen aus dem BMBF-Förderschwerpunkt | SpringerLink (Zugriff: 08.05.2023)
  5. Institut DGB-Index Gute Arbeit (Hrsg.). (2022)., DGB-Index Gute Arbeit Jahresbericht 2022 Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung zum DGB-Index Gute Arbeit. Jahresbericht 2022 | DGB-Index Gute Arbeit (Zugriff: 05.05.2023)
  6. Mosch, P., & Horn, J., (Hrsg.). (2019).: Vorsprung durch Mitbestimmung Beteiligung und Empowerment in der digitalen Arbeitswelt, S.11 Ingolstadt. pdf (isf-muenchen.de) (Zugriff: 08.05.2023)
  7. Neumer, J., Nicklich, M., Tihlarik, A., Wille, C. & Pfeiffer, S. (2021): Alles agil, alles gut? Warum Gute Arbeit auch in der agilen Welt kein Automatismus ist. In:  Bauer, W., Mütze-Niewöhner, S., Stowasser, S., Zanker, C.  & Müller, N. (Hrsg.): Arbeit in der digitalisierten Welt – Praxisbeispiele und Gestaltungslösungen aus dem BMBF-Förderschwerpunkt (S. 1 – 13): Springer Vieweg. Arbeit in der digitalisierten Welt: Praxisbeispiele und Gestaltungslösungen aus dem BMBF-Förderschwerpunkt | SpringerLink (Zugriff: 08.05.2023)

 

 

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