Veränderung und Verteilung von Kompetenzanforderungen

Die genannten Einflussfaktoren wie die Digitalisierung führen zu einem Wandel von Berufsbildern, welche eine Veränderung von Kompetenzanforderungen mit sich bringt. Diese neuen Kompetenzanforderungen müssen identifiziert werden, da sie eine entscheidende Rolle z. B. bei der Optimierung von Rekrutierungs- und Weiterbildungsstrategien sowie Einarbeitungsprogrammen spielen (Stops, 2021). Bei Betrachtung der neuen Kompetenzanforderungen wurde eine Unterteilung von fachlichen (berufstypischen) und überfachlichen (individuellen) Kompetenzen vorgenommen. Darüber hinaus erfolgte eine weitere Einteilung in Abhängigkeit des Anforderungsniveaus. Die vier Anforderungsniveaus wurden wie folgt definiert (Paulus/Matthes, 2013):

  • Helfer:innen- und Anlerntätigkeiten (keine berufliche Ausbildung oder eine einjährige Ausbildung),
  • fachlich ausgerichtete Tätigkeiten (mindestens zweijährige Berufsausbildung oder berufsqualifizierender Abschluss einer Berufsfach- oder Kollegschule),
  • komplexe Spezialistentätigkeiten (Meister:innen- oder Techniker:innenausbildung, weiterführender Fachschul- oder Bachelorabschluss)
  • hochkomplexe Tätigkeiten (mindestens vierjähriges abgeschlossenes Hochschulstudium).

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nord (IAB Nord) untersuchte Unterschiede in Kompetenzanforderungen zwischen technischen Berufsgruppen und den verschiedenen Anforderungsniveaus anhand von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen, die von Unternehmen in Stellenangeboten für technische Berufe in Hamburg formuliert wurden. In der Analyse wurden die ausgeschriebenen Stellen und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung herangezogen, um u. a. einen Vergleich der Stadt Hamburg zum bundesweiten Durchschnitt hinsichtlich des Anforderungsniveaus zu tätigen (siehe unten Abbildung 1).

Zudem stellt die Studie am Beispiel des Arbeitsmarktes Hamburg ausgeprägte berufliche, anforderungs- und regionsspezifische Unterschiede in den Kompetenzanforderungen in technischen Berufsgruppen dar. Anhand der signifikanten regionalen Besonderheiten der Kompetenzbedarfe in den technischen Berufsgruppen wird deutlich, dass eine regionsspezifische Planung und Ausgestaltung von Qualifizierungsprogrammen notwendig sind, um dem Arbeits- und Fachkräftemangel zu begegnen. Dies gilt für die fachlichen Kompetenzen in deutlich stärkerem Maße als für die überfachlichen Kompetenzen. Mit Hilfe solcher Ergebnisse können bedarfsgerechte und passgenaue Qualifizierungsmaßnahmen geplant und angeboten werden.

Folgend stellen wir die Ergebnisse der Studie vor:

Der größte Unterschied im Rahmen des Vergleichs der Stadt Hamburg zum bundesweiten Durchschnitt hinsichtlich des Anforderungsniveaus ergab sich bei komplexen Spezialistentätigkeiten aufwärts. Hier lag Hamburg (sozialversicherungspflichtige Beschäftigung) ca. 10 % über dem bundesweiten Durchschnitt, was auf ein höheres Anforderungsniveau im urbanen Arbeitsmarkt hindeutet.

Abbildung 1 Ausgeschriebene Stellen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Anforderungsniveau (Hamburg und Deutschland, 2019, Anzahl und Anteile in Prozent) [IAB, 2023a]

Darüber hinaus konnte in einer weiteren Analyse (siehe Abbildung 2) festgestellt werden, dass auch fachliche Kompetenzen mit hohem Anforderungsniveau vor allem in der Stadt gefragt sind, woraus sich ein hohes Qualifikationsniveau der untersuchten Stellen ableiten lässt.

Abbildung 2 TOP 10 der fachlichen Kompetenzen (Hamburg und Deutschland, 2019, Anteil in Prozent) [IAB, 2023b]

Bei Betrachtung der überfachlichen Kompetenzen in Abbildung 3 konnte nur ein regionaler Unterschied bei den Kompetenzen „systematisches-methodisches Vorgehen“ (Hamburg) und „Einsatzbereitschaft“ (Deutschland) identifiziert werden.

 

Abbildung 3 TOP 10 der überfachlichen Kompetenzen (Hamburg und Deutschland, 2019, Anteil in Prozent) [IAB, 2023b]

Im Bericht der IAB Nord wurden zudem verschiedene technische Berufsgruppe, wie z. B. Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik, Mechatronik und Automatisierungstechnik, Elektrotechnik nach einem festgelegten Auswertschema analysiert. Somit kann zusätzlich ein Vergleich der Kompetenzanforderungen zwischen verschiedenen Berufsgruppen durchgeführt werden. Mit Hilfe der identifizierten, berufsspezifischen Kompetenzanforderungen ist es möglich, entsprechende Qualifizierungsangebote zu schaffen und auf den Bedarf (bei Neueinstellung) zu reagieren. Die Mehrzahl der Berufsgruppen verzeichnet kurz- und mittelfristig ein positives Beschäftigungswachstum. Besonders dynamisch war die Entwicklung in der Berufsgruppe Mechatronik und Automatisierungstechnik, deren Ergebnisse im Folgenden betrachtet werden.

 

Kompetenzanforderungen am Beispiel der Berufsgruppe Maschinenbau- und Betriebstechnik

In der Berufsgruppe Maschinenbau- und Betriebstechnik liegt der Anteil an Fachkräften (fachlich ausgerichtete Tätigkeiten) bei fast 73 % und damit über dem entsprechenden Anteil im Durchschnitt aller ausgeschriebenen Stellen in Hamburg (54 %, vgl. Abbildung 1). Wenn darüber hinaus die „ausgeschriebenen Stellen“ mit der „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ verglichen werden, ist anzunehmen, dass sich die Qualifikationsstruktur in dieser Berufsgruppe verändern wird. Tätigkeiten mit hohem Anforderungsniveau werden mehr, wohingegen Tätigkeiten mit niedrigem Anforderungsniveau weniger gesucht werden.

Abbildung 4 Ausgeschriebene Stellen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Anforderungsniveau in der Berufsgruppe Maschinenbau- und Betriebstechnik (Hamburg, 2019, Anzahl und Anteil in Prozent) [IAB, 2023a]

Beim Vergleich von Stadt zu Bundesgebiet sind bei den ausgeschriebenen Stellen vergleichbare Ergebnisse in allen Anforderungsniveaus erhoben worden. Bei der „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ sind im niedrigsten Anforderungsniveau „Helfer- und Anlerntätigkeiten“ Unterschiede von nahezu 10 % zu erkennen. Darüber hinaus sind die Differenzen in der Anforderungsstruktur zwischen „ausgeschriebenen Stellen“ und „Beschäftigungsbestand“ im Bund noch höher als in der Stadt (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1 Verteilung der ausgeschriebenen Stellen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach Anforderungsniveau in ausgewählten technischen Berufsgruppen (Hamburg und Deutschland, 2019, Anteile in Prozent) [IAB, 2023a]

Im Anschluss wurden die fachlichen und überfachlichen Kompetenzen näher betrachtet. Die drei häufigsten in Stellenangeboten in Hamburg genannten fachlichen Kompetenzen waren Industriemechanik (22,4 %), Wartung, Reparatur, Instandhaltung (21,1 %) sowie technisches Verständnis (13,4 %). In Deutschland waren die fachlichen Kompetenzen Industriemechanik (26 %), sowie Wartung, Reparatur, Instandhaltung (18,1 %) ebenfalls die beiden häufigsten genannten.  Darüber hinaus wurden drei fachliche Kompetenzen nur in Hamburg unter den TOP 10, aber nicht bundesweit erhoben. Dabei handelt es sich um „Elektrotechnik“, „Hydraulik“ und „Pneumatik“.

Bei den überfachlichen Kompetenzen sind die TOP 10 aus der Berufsgruppe Maschinenbau- und Betriebstechnik sehr ähnlich zu den Kompetenzen, welche insgesamt in Hamburg erhoben wurden. So sind die drei am meisten genannten Kompetenzen „Zuverlässigkeit“, „Teamfähigkeit“ sowie „Eigenverantwortung“. Beim Vergleich zur Bundesebene sind wiederum große Deckungen zu erkennen. Einzig allein die Kompetenzen „Dialogfähigkeit Kundenorientierung“ (Hamburg) und „systematisches-methodisches Vorgehen“ (Deutschland) weisen keine Übereinstimmung auf.

 

 

Literatur:

Stops, 2021. Kompetenz-Kompass: Mit einem neuen Verfahren lassen sich die Kompetenzanforderungen in Stellenanzeigen systematisch abbilden. In: IAB-Forum, 11.02.2021, Nürnberg. (https://www.iab-forum.de/kompetenz-kompass-mit-einem-neuen-verfahren-lassen-sich-die-kompetenzanforderungen-in-stellenanzeigen-systematisch-abbilden/)

Paulus/Matthes, 2013. Klassifikation der Berufe. Struktur, Codierung und Umsteigeschlüssel. FDZ-Methodenreport, 08/2013, Nürnberg. (https://doku.iab.de/fdz/reporte/2013/MR_08-13.pdf)

IAB, 2023a.Stellendaten der BA-JOBBÖRSE, Zugangsstichprobe April/Mai 2019 und Oktober/November 2019; Statistik der Bundesagentur für Arbeit – Beschäftigungsstatistik (Stichtag 30. Juni 2019); IAB Berechnungen. © IAB

IAB, 2023b. Stellendaten der BA-JOBBÖRSE. Zugangsstichproben: April/Mai 2019 und Oktober/November 2019; IAB Berechnungen. © IAB

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