„Ein Unternehmen ist nur so nachhaltig, wie seine Beschäftigten es sind.“ Dieser Satz leitet das Impulspapier von Plattform Industrie 4.0 ein, „Green Skills – In jedem und jeder von uns steckt ein Green Collar“, das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstellt wurde (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 3). Green Skills sind laut Impulspapier „ein Set von Kompetenzen, die Beschäftigte dazu befähigen, die fortlaufende dynami­sche Transformation der Arbeitswelt in Bezug auf Nach­haltigkeit zu bewältigen und aktiv zu gestalten“ (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 6). Aus der Sicht der Autor:innen sind die entsprechenden Potenziale bei den Beschäftigten im Betrieb vorhanden.

Über welche nachhaltigkeitsbezogenen Kompetenzen sollten Beschäftigte eines Betriebes konkret verfügen?

Ein Blick auf den Begriff der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verdeutlicht bereits, was unter nachhaltigkeitsbezogenen Kompetenzen verstanden wird. BNE hat das Ziel, Menschen zu einem zukunftsfähigen Denken und Handeln zu befähigen. Jede:r Einzelne soll die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt verstehen können. Dabei werden die Auswirkungen auf die Natur und ihre Ressourcen, auf die Gesellschaft, auf nachfolgende Generationen und Wirtschaft betrachtet. Die Verzahnung der drei Aspekte „Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft“ muss berücksichtigt werden, um wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt in einer Welt erreichen zu können, in der die jetzige und die künftigen Generationen leben können (BMBF „BNE-Portal-Kampagne, Was ist BNE?“, n. d.). Berufsbildung, die sich daran ausrichtet und die Nachhaltigkeitsaspekte im Ausbildungs- und Arbeitsprozess umsetzt, wird als zukunftsfähig beschrieben (siehe u. a. BMBF „Berufliche Bildung – BNE-Portal-Kampagne, Die Bildungsbereiche des Nationalen Aktionsplans“, n. d.).

Mit den neuen Standardberufsbildpositionen wurde bereits eine Grundlage der Beruflichen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) geschaffen. Diese sorgt dafür, dass zukünftige Fachkräfte über einen Mindeststandard beruflicher Handlungskompetenz in Bezug auf ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit verfügen.

Folgt man dem Ansatz „Ein Unternehmen ist nur so nachhaltig, wie seine Beschäftigten“, bezieht sich der Ausbildungs- und Weiterbildungsbedarf auf alle Beschäftigten eines Unternehmens: Angelernte, Fachkräfte, Entscheidungstragende, Personalverantwortliche u. a.. Der Bildungsbedarf variiert dabei je nach Zielgruppe und beschäftigter Person und ist stark von der Branche und der Nachhaltigkeitsstrategie sowie den weiteren Zielen des Unternehmens abhängig (Plattform Industrie 4.0, 2023).

In vielen Unternehmen ist Nachhaltigkeit noch nicht in allen drei Aspekten verankert. Es ist jedoch in einer Vielzahl von Unternehmen ein wichtiges Thema, wie die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführte Befragung im Rahmen des IAB-Betriebspanels 2018 ergab (www.bmwk.de). Die Transformation der Arbeitswelt inklusive der Dekarbonisierung der Arbeits- und Produktionsprozesse sowie neue Anforderungen an Betriebe und Unternehmen durch gesetzliche Regelungen, aber auch durch Nachfrage von Konsument:innen, erfordern mehr Nachhaltigkeit im Betrieb. Die Frage nach der Förderung von nachhaltigkeitsbezogenen Kompetenzen/ Green Skills stellen sich demnach viele Unternehmen. Das Ergebnis einer Analyse zur Feststellung des betrieblichen Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarfs wird voraussichtlich zeigen: Zusätzliche nachhaltigkeitsbezogene Kompetenzen sind notwendig, vorhandene müssen „auf neue, nachhaltige Kontexte übertragen werden“ (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 5).

Nachhaltigkeitsbezogene Kompetenzen & Green Skills

Green Skills, die Beschäftigte eines Betriebes benötigen, umfassen Fähigkeiten zur Beantwortung von Fragen nach dem „Warum, Was und Wie?“ (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 3).

Das „Grüne Wissen (Green Knowledge – das „Was“) beinhaltet u. a. berufsspezifisches Wissen sowie berufsübergreifendes Fachwissen, z. B.: Grundlagenwissen „über chemische, physikalische und energietechnische Zusammenhänge“, grüne Technologien, Wissen über Materialien und Rohstoffe, ihre Herkunft, Produktion, Lagerung und den Transport sowie den dabei aufgebrachten Ressourcenverbrauch. Auch wird das Wissen über die Entsorgung der Produkte im Betrieb sowie beim Endverbrauchenden als wichtiges Grünes Wissen beschrieben (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 3 und S. 18).
Dieses Wissen wird benötigt, damit „direkte und indirekte Wirkungen des beruflichen Handelns auf die Umwelt sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen heutiger und zukünftiger Generationen reflektiert und bewertet werden (können)“ (BiBB „Nachhaltigkeit in der Ausbildung“, n. d.). Ursachen und Auswirkungen von Ressourcenverbrauch können erkannt, verstanden und Ökobilanzen erstellt werden (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 18).

Neben dem Grünen Wissen wird als Green Skill die Fähigkeit der Beantwortung der Fragen nach dem „Warum“ genannt (Sustainability Mindset – Denkweise der Nachhaltigkeit): das Verständnis und die Akzeptanz zur Notwendigkeit zur Emissionsreduzierung und der Wille zur Veränderung (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 17). Hierfür benötigen Beschäftigte „eine grundlegend zuversicht‑liche Denkhaltung, die auf die Sinnhaftigkeit der selbst­wirksamen Gestaltung einer positiven, nachhaltigen und somit lebenswerten Zukunft ausgerichtet ist.“ Weitere Skills sind z. B.: kritisch hinterfragen zu können, Kreativität und Innovationswille sowie die Kompetenzen zur kontinuierlichen Verbesserung. Zur teamübergreifenden Umsetzung von Innovationen sind interkulturelle und fachübergreifende Kompetenzen wie Teamfähigkeit wichtig. Adaptionsfähigkeit ist für schnelle und flexible Reaktion auf disruptive Entwicklungen notwendig (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 17–18).

Für das „Wie“ benötigen Beschäftigte Transferkompetenzen (Transferability Competencies) und die Kompetenz, Verbesserungspotenzial zu erkennen und umzusetzen sowie über Dimensionen hinaus vernetzt zu denken (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 3 und S. 17). Dazu werden u. a. benötigt: analytisches Denken, die Kompetenz des Problem Framings, die Kompetenzen für Design Thinking sowie zur Entwicklung innovativer und kreativer Lösungen, Ideen und Ansätze. Damit einhergehende Veränderungsprozesse erfordern eine ausgeprägte Kommunikationskompetenz, bei Verantwortungstragenden auch Führungskompetenz sowie die Kompetenz, gute Beziehungen aufzubauen und zu halten, um alle Beteiligten zu erreichen. Projekt-, Qualitäts- und Operationsmanagement sind zudem für bereichs- oder prozessübergreifende Veränderungen notwendig (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 18–19).

Um „im Berufsleben nachhaltig zu denken und zu handeln, den eigenen Arbeitsalltag ebenso nachhaltig zu gestalten wie Prozesse im Unternehmen“ werden zudem Fähigkeiten wie verantwortliches Handeln, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit sowie Selbstbestimmung im Kontext der Arbeitswelt benötigt (BMBF „Berufliche Bildung – BNE-Portal-Kampagne, Einstieg“, n. d.). Ebenso werden Empathie und die Fähigkeit der Perspektivübernahme in weiterer Literatur als wichtige Fähigkeiten für nachhaltigkeitsorientiertes Handeln benannt (www.blog.bildungsserver.de). Diese sind auch für die nachhaltigkeitsbedingten Veränderungsprozesse im Betrieb und im Berufsalltag nützlich: Gegenseitiges Verständnis fördert ein Miteinander. Dies wiederum fördert den Dialog über nachhaltige Entwicklung und die kompetente Mitgestaltung von Arbeit, Wirtschaft und Technik.

Was ist notwendig für die Förderung von Green Skills?

Verständnis und Engagement im gesamten Betrieb ist auch laut Impulspapier für die Förderung der Potenziale der Beschäftigten, für die Verankerung von Nachhaltigkeit im Betrieb und damit im Berufsalltag der Beschäftigten notwendig. Ein wichtiger Baustein ist laut den Autor:innen „die Schaffung von lernfördernden Rahmenbedingungen, die Qualifizierung und Hinzulernen für alle Beschäftigten jederzeit ermöglichen.“ Als wichtige Akteure dafür werden neben der Politik auch die Betriebsparteien genannt (Plattform Industrie 4.0, 2023, S. 5–6). Lernfördernde Rahmenbedingungen gehen einher mit Lernkultur und Lernstrukturen im Betrieb, die Lernen im Betrieb ermöglichen und fördern. Die Autor:innen des Impulspapiers haben für das Lernen im Betrieb und für einen ersten Einstieg in das Thema Nachhaltigkeit im individuellen Unternehmenskontext einen „Lernpfad Nachhaltigkeit“ entwickelt.

Quellen

  1. Plattform Industrie 4.0: Impulspapier „Green Skills – In jedem und jeder von uns steckt ein Green Collar“ (Februar 2023), im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Berlin.
  2. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) „BNE-Portal-Kampagne, Was ist BNE?“ (n. d.) in https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html (Zugriff am 24.04.2023).
  3. BMBF „Berufliche Bildung – BNE-Portal-Kampagne, Die Bildungsbereiche des Nationalen Aktionsplans“ (n. d.) in https://www.bne-portal.de/bne/de/nationaler-aktionsplan/die-bildungsbereiche-des-nationalen-aktionsplans/berufliche-bildung/berufliche-bildung.html (Zugriff am 24.04.2023).
  4. bmwk.de: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Schlaglichter-der-Wirtschaftspolitik/2019/06/kapitel-1-4-das-thema-nachhaltigkeit.html (Zugriff am 24.04.2023).
  5. Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BiBB) „Nachhaltigkeit in der Ausbildung“ (n. d.), in https://www.bibb.de/de/142299.php (Zugriff am 24.04.2023).
  6. BMBF, „Berufliche Bildung – BNE-Portal-Kampagne, Einstieg“ (n. d.), in https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/bildungsbereiche/berufliche-bildung/berufliche-bildung.html (Zugriff am 24.04.2023).
  7. Podcast mit Christian Michaelis der Universität Göttingen und Moritz Ansmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung, in https://blog.bildungsserver.de/berufsbildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-2/, (Zugriff am 24.04.2023).
  8. Plattform Industrie 4.0: „Lernpfad Nachhaltigkeit Hintergrund – Green Skills“ (Dezember 2022), im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Berlin. Aus: https://www.plattform-i40.de/IP/Redaktion/DE/Downloads/Publikation/Lernpfad_GreenSkills.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Zugriff am 24.04.2023).

Institut für Forschung, Training und Projekte (IFTP)