Betriebliche Validierung und Anerkennung

Bei der betrieblichen Validierung werden Fertigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen, die durch nichtformales und informelles Lernen erworben wurden, dokumentiert, analysiert, bewertet und gegebenenfalls zertifiziert. Informelles Lernen findet quasi en passant während der Arbeit statt, während nichtformales Lernen ein organisiertes Lernen ist, aber im Gegensatz zum formalen Lernen außerhalb anerkannter Bildungsgänge des öffentlichen Bildungssystems erfolgt. Durch die Validierung werden die tatsächlich vorhandenen Kompetenzen einer Person festgestellt, bewertet und im Prinzip mit formal erworbenen Kompetenzen im öffentlichen Bildungssystem gleichgestellt. Dies ist für die digitale und agile Arbeits- und Berufswelt sowie für eine arbeitsbezogene Personalentwicklung zu einer unverzichtbaren Aufgabe geworden.

Für Unternehmen und Beschäftigte bringt die Validierung nichtformal und informell erworbener Kompetenzen gleichermaßen Vorteile. Für Unternehmen wird damit der Ist-Stand vorhandener personeller Kompetenzen ermittelt. Die Personalentwicklung kann auf der Basis validierter Kompetenzen besser geplant und gesteuert werden, ebenso wie die gesamte betriebliche Bildungsarbeit.

Für die Beschäftigten sind die Erfassung, Bewertung und Anerkennung ihrer in und bei der Arbeit erworbenen Kompetenzen eine wichtige Grundlage für ihre weitere berufliche und persönliche Entwicklung. Kompetenzerfassung und -bewertung bieten Anregungen für die eigene Weiterbildung und berufliche Entwicklung, aber auch für andere Bereiche der Lebensgestaltung. Auf dem Arbeitsmarkt führt die individuelle Validierung zu mehr Chancen; sie ist zugleich Voraussetzung für die Durchlässigkeit von Bildungswegen und für personalisierte Berufslaufbahnen. Nicht zuletzt tragen Validierung und Anerkennung beruflicher Erfahrungen zur Wertschätzung im sozialen Umfeld sowie zur Identifikation mit und Motivation für die Arbeit bei.

Die betriebliche Validierung ist auf übergreifende Standards und Validierungssysteme zu beziehen, um erworbene Kompetenzen überbetrieblich, national und europäisch anerkennen und anrechnen zu können. Dabei bezieht sich die Anrechnung auf die Verkürzung von Lernzeiten, während die Anerkennung auf formale Abschlüsse abzielt, die direkt verliehen oder als gleichwertig ausgewiesen werden. So eröffnen sich neue Wege, die Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit im Bildungs- und Beschäftigungssystem nach Jahren der Stagnation entscheidend voranzubringen.

Dies setzt allerdings nationale Regelungen zur Validierung im Kontext von Qualifikationsrahmen voraus. Während in Ländern wie der Schweiz und Österreich nationale Validierungssysteme längst eingeführt sind, steht dies in Deutschland seit Anfang der 2010er Jahre bildungspolitisch auf der Agenda, wird aber nicht erkennbar umgesetzt.

Merkmale der Validierung

Validierungsverfahren müssen bestimmten Merkmalen sowie Qualitäts- und Gütekriterien genügen. Verfahrensübergreifende Merkmale sind für eine erfolgreiche betriebliche Validierung zu erfüllen, um Vertrauen zu schaffen, Transparenz und Qualität zu gewährleisten. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Das erstgenannte Merkmal, die Kompetenzbasierung, ist als Regelfall anzusehen. Dennoch kann sich ein Validierungsverfahren auch auf Fähigkeiten, Kenntnisse und Skills beschränken, die den Kompetenzen, verstanden als Fachkompetenz und Personale Kompetenz nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR), untergeordnet sind.

Verfahren der Validierung

In der bisherigen Validierungspraxis hat sich, gestützt auf europäische Empfehlungen und Erfahrungen, ein fünfstufiges Verfahren zur Identifizierung und Bewertung nichtformal und informell erworbener Kompetenzen sozusagen als Prototyp durchgesetzt. Das vollständige fünfstufige Verfahren endet mit Zertifikaten, die Anerkennungen und Anrechnungen im öffentlichen Bildungssystem ermöglichen. Diese Validierung erfolgt durch staatlich autorisierte Stellen.

Demgegenüber dominiert in Unternehmen ein vierstufiges Verfahren, das, wie die nachstehende Abbildung zeigt, mit Bewertungen abschließt. Die Bewertungen erfolgen in unterschiedlichen Formen, z.B. in Form von Qualifikationsnachweisen, Kompetenzprofilen und Badges bzw. Lernabzeichen, die als „Open Badges“ digital vorgenommen werden.

Betriebliche Validierungsverfahren überschneiden sich mit Verfahren der Kompetenzfeststellung und knüpfen stark an bestehende Bewertungs- und Messverfahren an, was die Einführung der Validierung erleichtert. Zu nennen sind hier vor allem Arbeitszeugnisse, Assessmentverfahren, Mitarbeitergespräche, Kompetenzbilanzen und Diagnostikverfahren, aber auch Zertifikate von Kammern, Bildungsträgern, Anbietern und Herstellern für Qualifizierungsmaßnahmen in nichtformalen Kontexten. Die Praxis all dieser Verfahren zeigt jedoch, dass häufig Beliebigkeit und Zufälligkeit anstelle objektiver Beurteilungen und Bewertungen vorherrschen.

Betriebliche Validierungsverfahren beurteilen und bewerten informell und nichtformal erworbene Kompetenzen im Vergleich zu festgelegten Standards. Diese Standards sind vor allem in Berufen, Kompetenzprofilen oder -modellen, Qualifikationsrahmen oder beruflichen und akademischen Bildungsgängen definiert.

Übergreifend gilt die Beruflichkeit als maßgeblicher Validierungsstandard. Beruflichkeit bietet mit der Berufsform der Arbeit ein Referenzsystem für die Validierung nichtformal und informell erworbener Kompetenzen, das mit Standards in der Berufsausbildung vielfach bewährt und weltweit anerkannt ist. In der modernen Arbeitswelt steht jedoch die Berufs- und Weiterbildung im Mittelpunkt und es ist von einer erweiterten Beruflichkeit auszugehen. Diese nimmt die dynamischen und agilen Qualifikationsanforderungen digitalisierter Arbeit ebenso auf wie die das Arbeitsleben begleitende berufliche Weiterbildung, einschließlich der informellen und der wissenschaftlichen Weiterbildung.

Validierung als mögliche Aufgabe von Weiterbildungsverbünden

Es besteht Konsens darüber, dass die Professionalität derjenigen, die für Validierungsverfahren verantwortlich sind und diese durchführen, eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist. In der Regel zählen die an der Validierung beteiligten Personen zum Bildungspersonal, zur Personalentwicklung und zu den Führungskräften des Unternehmens, wobei gegebenenfalls externe Expert:innen hinzugezogen werden.

Die Qualifikationen des für die Validierung zuständigen Personals beziehen sich grundsätzlich auf zwei Kompetenz- und Handlungsbereiche: einerseits auf die Beratungs- und Begleitungskompetenzen, andererseits auf die für die Identifizierung, Dokumentation und Bewertung notwendigen fachlichen und domänenspezifischen Kompetenzen.

Damit sind jedoch auch Kompetenzen angesprochen, die über die bisher bestehenden einschlägigen Berufsbilder und Qualifikationen hinausgehen. Beratungs- und Beurteilungskompetenzen in Bezug auf nichtformal und informell erworbene Kompetenzen und deren Validierung sind größtenteils nicht vorhanden; Äquivalenzvergleiche zwischen formalen Qualifikationen und nichtformal oder informell erworbene Kompetenzen können nicht ohne zusätzliche Expertise vorgenommen werden.

Für Weiterbildungsverbünde könnte sich daraus eine doppelte Aufgabe ergeben: Zum einen ist die auch in Großbetrieben nur begrenzt vorhandene Validierungskompetenz zu fördern und in betriebliche Verfahren umzusetzen; zum anderen gilt es, Klein- und auch ein Großteil der Mittelbetriebe erstmals an Validierungsprozesse heranzuführen. Insbesondere trifft auf Klein- und Kleinstbetriebe zu, dass sie aufgrund fehlender Personalstrukturen nicht in der Lage sind, Validierungsverfahren eigenständig einzuführen und durchzuführen. Dies kann jedoch durch Weiterbildungsmaßnahmen und Kooperationen in Weiterbildungsverbünden erreicht werden.

Die Verbundstruktur ist dabei als Netzwerkorganisation mit hoher Flexibilität und Offenheit zu verstehen, die eher nachfrage- als angebotsorientiert ausgerichtet ist. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass selbst didaktisch und methodisch exzellent konzipierte Schulungen, Workshops und Lehrgänge – ob in konventioneller, virtueller oder hybrider Form – Kleinbetriebe zumeist nicht und mittlere Betriebe nur eingeschränkt erreichen. Wirkungsvoll sind hingegen Maßnahmen zur Einführung und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen vor Ort, das heißt arbeitsgebunden oder arbeitsverbunden im Sinne einer nachfragebezogenen und aufsuchenden Qualifizierung. Ein Beispiel hierfür ist die in den letzten Jahren intensivierte Einführung digitaler Systeme und Assistenzen, die vor allem in Kooperation von Anbietern, Herstellern, Unternehmensberatungen und betrieblichen IT-Beauftragten sowie den Beschäftigten arbeitsbezogen erfolgt. Dabei sind Coaching, Mentoring und strukturiertes Lernen im Prozess der Arbeit die bevorzugten Qualifizierungsformen.

Insgesamt können Weiterbildungsverbünde maßgeblich zur weiteren Konsolidierung der betrieblichen Validierung beitragen und den im Betrieb erworbenen Kompetenzen einen angemessenen Wert geben. Es ist zu erwarten, dass betriebliche Validierungen, auch zertifizierte, zunehmen werden und dass – vor allem unter Einbeziehung von Qualifikationsrahmen – nichtformal und informell erworbene Kompetenzen den im öffentlichen Bildungssystem erworbenen formalen Kompetenzen gleichgestellt werden. Erst damit wird der oft zufällige und situative Kompetenzerwerb in und bei der Arbeit in einen Kontext von Qualität, Struktur, Vergleichbarkeit, Anerkennung und Beruflichkeit gestellt. Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit im Bildungs- und Beschäftigungssystem werden so entscheidend weiterentwickelt.

Hinweise zur Vertiefung:

CEDEFOP (2023). European guidelines for validating non-formal and informal learning. Third Edition. Luxembourg: Publications Office. http://dx.doi.org/10.2801/389827

Dehnbostel, P. (2022). Betriebliche Bildungsarbeit. Kompetenzbasierte Berufs- und Weiterbildung in digitalen Zeiten. 3. erweiterte Auflg., Baltmannsweiler: Schneider.

Schmid, M. (Hg.) (2023). Handbuch Validierung non-formal und informell erworbener Kompetenzen. Bielefeld: wbv Publikation. https://doi.org/10.3278/9783763971657

VALIKOM (2023). Berufsrelevante Kompetenzen bewerten und zertifizieren. https://www.validierungsverfahren.de/startseite

Dehnbostel/ Institut für Forschung, Training und Projekte (IFTP)

Prof. Dr. Dehnbostel ist emeritiert. Er war u.a. Mitarbeiter am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und Professor für ›Betriebliches Bildungsmanagement‹ an der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW) in Berlin.