Im Rahmen des „Paktes für berufliche Weiterbildung 4.0“ sind in Bayern seit 2018 rund 30 Weiterbildungsinitiator:innen (WBI) aktiv. Weiterbildungsinitiator:innen bieten in ihrer Region eine trägerneutrale, kostenfreie und individuelle Beratung zu Weiterbildungsmöglichkeiten und -angeboten sowie geeigneten Förderinstrumenten an. Darüber hinaus begleiten sie bei Bedarf auch die Umsetzung der Weiterbildungsmaßnahmen. Ziel der WBI ist es außerdem, eine bessere Verzahnung der Angebote regionaler Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung zu erreichen und Synergien mit anderen regionalen Netzwerken zu nutzen, etwa mit den Arbeitgeber-Services, der ZD.B-Themenplattform Arbeitswelt 4.0, dem Zukunftszentrum Süd oder den Bayerischen Weiterbildungsverbünden. Im Interview gibt der Weiterbildungsinitiator Stefan Volk-Preißler Einblicke, über welche Wege Unternehmen erfolgreich für berufliche Weiterbildung aufgeschlossen werden können.
Können Sie bitte anhand eines Beispiels darstellen, wie Sie die Zugänge zu den Unternehmen gestalten?
Stefan Volk-Preißler: Den Kontakt zu den Unternehmen muss jede:r Weiterbildungsinitiator:in selbst finden. Dabei bieten sich die trägerinternen Kanäle sowie die klassischen Akquisemittel wie Social Media, Direktmarketing oder Publikationen an. Besonders zielführend hat sich hierbei die Zusammenarbeit mit Vereinen wie dem Bund der Selbständigen Bayern, dem Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern, der Bundesvereinigung Mittelstand in Deutschland oder der European Association for Training Organisations gezeigt, um Unternehmer:innen, Beschäftigte und Weiterbildungsträger anzusprechen. Ich habe beispielsweise den Kontakt zu einem Unternehmen aus der Medizintechnikbranche über das Interesse eines dort beschäftigten Mitarbeiters am Bayrischen Bildungsscheck bekommen. Ihn lernte ich im Rahmen einer Veranstaltung des DGB kennen.
Durch den nötigen Austausch mit dem Unternehmen zur Antragsstellung des Bayrischen Bildungsschecks, konnten wir weitere Mitarbeiter:innen des Arbeitgebers für eine berufliche Weiterbildung gewinnen. Daraus hat das Unternehmen weiteres Interesse an der beruflichen Weiterbildung gezeigt. Zusammen mit der Personalentwicklerin haben wir ein fünfteiliges Weiterbildungskonzept (Umfang: zwei Monate) im Rahmen der Internationalisierungsstrategie des Unternehmens entworfen.
Ziel des Unternehmens ist es, die Beschäftigten auf die Anforderungen der neuen Märkte, Kultur und Sprache und gesetzlichen Vorgaben vorzubereiten. Das Konzept umfasst die Themen International competence, Businessenglisch, Medizintechnik & FDA, Technische Kompetenzen sowie die Möglichkeit, ein international anerkanntes Zertifikat für agiles Projektmanagement zu erhalten. Dieses Weiterbildungskonzept hat sich zusätzlich in Teilen als förderfähig im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Bayern gezeigt und wurde eingereicht. Jedoch hat sich aufgrund von bürokratischen Hürden eine zeitliche Verschiebung ergeben, sodass aktuell eine Beantragung für den ESF+ vorbereitet wird.
Mittlerweile sind meine Kontaktdaten im Unternehmen bekannt und ich erhalte regelmäßig Anfragen der Belegschaft zu Themen der beruflichen Weiterbildung. Aktuell begleite ich ein Mitglied des Managementteams für dessen Ausbildung zum Business Coach. Zudem unterstütze ich den Arbeitgeber beim Austausch mit der Agentur für Arbeit hinsichtlich einer Förderung im Rahmen des Qualifizierungschancengesetz (QCG).
Welche Bedarfe werden von den Unternehmen bzw. den betrieblichen Akteuren geäußert?
Stefan Volk-Preißler: Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel hat jede Branche und so gut wie jedes Unternehmen erreicht. Im Hinblick auf die berufliche Weiterbildung gäbe es einige hilfreiche Ansatzpunkte für die Unternehmen. Dazu gehören beispielsweise schnellere Anerkennungs- und Feststellungsverfahren ausländischer Abschlüsse und Berufserfahrungen oder eine Erleichterung beim Zugang von internationalen Fachkräften oder Geflüchteten zu Aus- und Weiterbildungen.
Wichtig wäre außerdem, die bürokratischen Hürden für Fördermittel zu senken. Das Beispiel des Medizintechnikunternehmens zeigt außerdem, dass das zunehmende Eigeninteresse der Beschäftigen an beruflicher Weiterbildung mehr Engagement beim Unternehmen hervorgerufen hat.
Unternehmen profitieren also von den Weiterbildungsbemühungen ihrer Beschäftigten. Wenn Mitarbeiter:innen neue Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, steigt die Qualität der Arbeitsergebnisse und die Effizienz der Arbeitsprozesse. Fehlt das Eigeninteresse der Belegschaft sich weiterzuentwickeln, haben der Arbeitgeber und der:die Beschäftigte Wettbewerbsnachteile.
Um das Eigeninteresse der Beschäftigten an beruflicher Weiterbildung zu fördern, können Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen. Eine Möglichkeit besteht darin, individuelle Entwicklungspläne zu erstellen, die auf die Bedürfnisse und Interessen der Mitarbeiter:innen zugeschnitten sind. Dies ermöglicht es den Beschäftigten, gezielt ihre Kompetenzen zu erweitern und ihre beruflichen Ziele zu erreichen.
Unternehmen können auch finanzielle Anreize wie Weiterbildungsbudgets oder Bonuszahlungen für den Abschluss von Weiterbildungsmaßnahmen bieten. Speziell in Bayern bietet sich diese Methode an, da hierzulande keine individuelle Förderung für berufliche Weiterbildung vorhanden ist.
Können Sie bitte anhand eines Beispiels die Zusammenarbeit mit den Bildungsträgern und den Arbeitsmarktakteuren erläutern?
Stefan Volk-Preißler: Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit unterstütze ich Unternehmen in Oberbayern u.a. beim Antragsprozess für die Förderaktion 1.3 Betriebliche Weiterbildung des ESF+ in Bayern. Dazu gehört auch, dass ich passend zertifizierte und angebotswillige Bildungsträger aus ganz Bayern suche. So entstand ein Netzwerk von Bildungsträgern, die ich zum Thema ESF+ aktivieren konnte. Dieses Netzwerk ist den Unternehmen eine große Hilfe, da die Unternehmen laut Vorgabe der Förderrichtlinie ESF+ für jeden Antrag mindestens drei Angebote von einem zertifizierten Bildungsträgern aus Bayern benötigen.
Haben Sie Ideen zu Stärkung der Weiterbildung in Ihrer Region?
Stefan Volk-Preißler: Grundsätzlich wissen wir alle zu wenig über die Möglichkeiten und Chancen der eigenen beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten und Fördermittel der beruflichen Weiterbildung. Zur Stärkung wäre daher eine höhere Medienpräsenz zu den Vorteilen beruflicher Weiterbildung und zu den Fördermöglichkeiten nötig.
Viele Akteure am Arbeitsmarkt und bei den Bildungsträgern kennen in der Regel die Unterstützungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit für Arbeitssuchende. Jedoch kann jedes Unternehmen zusätzlich seit 2021 im Grunde jede:n Beschäftigte:n kostengünstig weiterbilden, z. B. mit der Unterstützung der Agentur für Arbeit oder dem ESF+ in Bayern.
Diese Fördermittel werden vom bayerischen Mittelstand viel zu wenig genutzt, wenn man den Fachkräftebedarf gegenüberstellt. Ich höre oft das Gegenargument „bürokratische Hürde“ und die damit verbundene Zeit für die Antragsstellung. Betrachtet man den gestiegenen Zeitaufwand für die Mitarbeitergewinnung in den letzten Jahren, so ist die Mitarbeiterentwicklung wesentlich effizienter.
Die Arbeit der Weiterbildungsinitiator:innen ist wichtig, weil wir besonders diejenigen Unternehmen begleiten, die nicht über einen großen Personalmanagementstab verfügen. Wir informieren sie über Möglichkeiten kostengünstiger Personalentwicklung und unterstützen bei der Konzeptionierung der Weiterbildungsmaßnahme und bei der umfänglichen Antragsstellung.
Vielen Dank für den Einblick in Ihre Beratungspraxis!
Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten:
- Weiterbildungs-Lotse und Informationen zur Beratung auf KOMM WEITER in B@YERN
- Internetseite der WBI-Koordinationsstelle
- Imagefilm der Weiterbildungsinitiator:innen
Das Projekt „Weiterbildungsinitiator:innen als digitale Bildungsberater:innen“ wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)