Die Automobilindustrie ist überdurchschnittlich stark vom ökologischen und digitalen Wandel betroffen. Mehr als 60% der Unternehmen aus dieser Branche geben an, bereits seit längerem betroffen zu sein, außerhalb des Automobilbereichs sind es nur knapp 48% (Burstedde et al., 2023). Die Ursachen dafür sind vielfältig: Das beschlossene Verbrenner-Aus, die drohende Deindustrialisierung verbunden mit zunehmendem Stellenabbau sowie die Unsicherheit bei der Frage nach zukunftsfähigen Kraftstoffen sind nur einige der derzeitigen Herausforderungen, die die Industrie umtreiben. Im Bereich der konventionellen Antriebe wird bis 2025 deutschlandweit mit einem Rückgang von 137.000 – 170.000 Beschäftigten gerechnet (Bratzel et al., 2022). Gleichzeitig eröffnen Zukunftsfelder wie Elektromobilität, Nachhaltigkeit und autonomes Fahren neue Chancen und Märkte. Batteriemontage und -recycling, Infotainment-Systeme oder digitale Serviceplattformen sind längst Bestandteile automobiler Produktionsprozesse und werden bei optimistischer Schätzung den Beschäftigungsrückgang in konventionellen Segmenten kompensieren können (Agora Verkehrswende, 2021). Wie das gelingen kann und welche Voraussetzungen dafür nötig sind, wird im Folgenden anhand der Ergebnisse des IW-Zukunftspanels aufgezeigt, das im November 2023 erschienen ist. Dort sind Unternehmensleitungen, Geschäftsführungen sowie Strategieleitungen aus 914 Unternehmen befragt worden, davon 170 aus der Automobilbranche.

Fachliche und soziale Kompetenzen im Fokus

Zukünftige Tätigkeits- und Qualifikationsprofile, die sich aus den veränderten Anforderungen der neuen automobilen Wertschöpfungskette ergeben, erfordern eine Vielzahl an Kompetenzen. Um die Vergleichbarkeit zwischen den im Zukunftspanel betrachteten Branchen zu gewähren, werden die durch den ökologischen und digitalen Wandel entstehenden Weiterbildungsbedarfe in die beiden Kompetenzbereiche „Hard und Soft Skills“ eingeteilt. Innerhalb der als Selbst- und Sozialkompetenz beschriebenen Soft Skills sehen über 80% der Unternehmen aus der Automobilbranche Bedarfe zur Weiterqualifizierung, in anderen Branchen sind es nur knapp 70%. Zudem steigt der Weiterbildungsbedarf der Mitarbeitenden im Bereich der Soft Skills mit anwachsender Unternehmensgröße, da dort eine höhere Anzahl an Tätigkeitsfeldern besteht und so der Anteil an Spezialisierungen zunimmt. Die Weiterbildungsbedarfe bei den Hard Skills sind unabhängig von Unternehmensgröße und Branche sehr hoch: 96% der zur Automobilindustrie gehörenden Unternehmen geben an, mindestens geringe fachliche Weiterbildungsbedarfe zu haben, in anderen Branchen sind es fast 93%.

Weiterbildungsbedarfe – Wer sucht, der findet

Nur 28% der Unternehmen aus der Automobilindustrie geben an, dass sie die Kosten von Weiterbildungen als Hemmnis betrachten; in anderen Branchen beträgt der Anteil 37%. Deutlich häufiger stellen zeitliche und personelle Engpässe Probleme dar, gefolgt von Problemen aufgrund der Eigenmotivation der Mitarbeitenden und der mangelnden Verfügbarkeit geeigneter Weiterbildungsmaßnahmen. Der insbesondere in der Automobilbranche vorherrschende hohe Weiterbildungsbedarf im Bereich der Hard und Soft Skills ist dabei womöglich der Tatsache geschuldet, dass deren Identifizierung eine Begleiterscheinung bereits etablierter Weiterbildungskulturen im Rahmen von kontinuierlichen Entwicklungsgesprächen darstellt: Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden werden schneller und systematischer erkannt, wodurch ein erhöhter Weiterbildungsbedarf aufgedeckt wird.

Unterstützungsbedarfe – Was hilft?

Mögliche Hilfen, die Unternehmen aus der Automobilbranche zur Bewältigung des digitalen und ökologischen Wandels in Anspruch nehmen, sind unter anderem Vernetzungstreffen mit anderen Unternehmen, die finanzielle Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen, Best-Practice-Beispiele oder die Unterstützung der Personalarbeit durch Informationsportale und Tools. Als besonders fruchtbar hat sich dabei ein Maßnahmen-Mix herausgestellt, der unterschiedliche Aspekte abdeckt:

  • Individuelle Unternehmensberatung vor Ort,
  • finanzielle Förderung von Weiterbildungsteilnahmen und
  • Vernetzungstreffen mit anderen Unternehmen.

Zwei Drittel der vom ökologischen und digitalen Wandel betroffenen Unternehmen der Automobilbranche ließen sich auf diese Weise erreichen. Anschauliche Best-Practice-Beispiele weisen anstelle der individuellen Unternehmensberatung eine ähnlich hohe Erfolgsquote auf.

Darüber hinaus kann der Kontakt zu Multiplikator:innen Unternehmen die Möglichkeit geben, sich mit anderen Akteuren zu den Auswirkungen des Strukturwandels auszutauschen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen aus der Automobilbranche nimmt das in Anspruch, beinahe ebenso viele suchen den Kontakt zu Verbänden und Wirtschaftsförderungen.  Fast ein  Drittel der Unternehmen aus der Automobilbranchen suchen diese auf, während knapp 28% kostenpflichtige Anbieter wie Unternehmensberatungen oder Bildungsanbieter kontaktieren. Kleine und mittlere Unternehmen stehen jedoch deutlich seltener im Austausch mit kostenpflichtigen Anbietern als Großunternehmen. Auch wenn nur ein geringer Anteil der Unternehmen die entstehenden Kosten der Weiterbildungsmaßnahme als Hemmnis angibt, stellt der finanzielle Aspekt für KMU immer noch eine Herausforderung dar.

Zusammengefasst

Unternehmen der Automobilbranche sind stärker und seit längerer Zeit vom ökologischen und digitalen Wandel betroffen als andere Branchen. Dadurch entstehen Weiterbildungsbedarfe, für KMU insbesondere im Bereich der Hard Skills, also den fachlichen Kompetenzen. Aus unterschiedlichen Gründen ist es nicht immer möglich, diese Bedarfe zu bedienen, sei es aufgrund zeitlicher Kapazitäten, hoher Kosten oder mangelnder Motivation der Belegschaft. Vernetzungstreffen, individuelle Vor-Ort-Beratung oder finanzielle Förderungen können, neben dem Austausch mit Multiplikator:innen aus der Region, dazu beitragen, dem Strukturwandel aktiv zu begegnen und die Weiterbildungsbedarfe zu realisieren. Die Weiterbildungsverbünde leisten hier bereits wichtige Arbeit und fördern den Austausch zwischen betroffenen Unternehmen und Vernetzungspartnern.

Um dem größten Weiterbildungshemmnis – den limitierten zeitlichen und personellen Kapazitäten – entgegenzuwirken, sollten Unternehmen Nachwuchsfachkräfte im Rahmen der dualen Berufsausbildung qualifizieren, ältere Mitarbeitende aufgrund ihres Erfahrungswissens ans Unternehmen binden sowie die Integration internationaler Fachkräfte fördern. Der strategischen Personalplanung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu und kann helfen, Hemmnisse zu minimieren und die Erfolgschancen der Weiterbildung zu erhöhen.

Literatur:

Agora Verkehrswende (Hrsg.) (2021): Autojobs unter Strom. Wie Elektrifizierung und weitere Trends die automobile Arbeitswelt bis 2030 verändern werden und was das für die Politik bedeutet. Berlin

Bratzel, S., Girardi, L. & Tellermann, R. (2022): Der Automotive- und Mobilitätssektor in München in der Transformation. München

Burstedde, A., Risius, P., Tiedemann, J. & Werner, D. (2023): Weiterbildungsbedarfe der Automobilbranche in der Transformation. In: IW-Report 56/2023. Köln.

Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)