Twin Transition: Gleichzeitigkeit von Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Digitalisierung und die sozial-ökologische Transformation in Richtung von Nachhaltigkeit gelten als zwei zentrale gegenwärtige Transformationsprozesse, die die Wirtschaft gleichzeitig prägen. Unternehmen müssen einerseits digitale Technologien in ihre Arbeitsprozesse integrieren. Andererseits müssen sie verstärkt ökologische, soziale und ökonomische Aspekte im Hinblick auf heutige und künftige Generationen berücksichtigen.

Allmählich werden beide Prozesse nicht mehr isoliert voneinander betrachtet, sondern verstärkt in ihrem Zusammenhang. Diese „Doppelte Transformation“ oder „Twin Transition“ findet inzwischen auch Beachtung seitens der Europäischen Kommission, verschiedener Initiativen und der Forschung. Eine aktuelle Metastudie des Fraunhofer-Instituts und der Bertelsmann-Stiftung widmet sich der Doppelten Transformation. In einer methodisch angeleiteten Bestandsaufnahme aktueller Forschung und Medieninhalte wie Podcasts untersucht die Studie die Fragestellung, welche möglichen Zusammenhänge und (positiven) Wechselwirkungen von Digitalisierung und Nachhaltigkeit sich aus einer gleichzeitigen Umsetzung für KMU ergeben.

Zahlreiche Chancen, aber auch ungenutzte Potenziale und Herausforderungen

Die Studie zeigt zunächst, dass Nachhaltigkeit erwartungsgemäß deutlich weniger stark als Digitalisierung in KMU umgesetzt ist. Als Motiv für die Doppelte Transformation eines Unternehmens werden neben ökonomischen Motiven v. a. regulatorische Auflagen (z. B. zur Nachhaltigkeitsberichterstattung) und die Attraktivität als Arbeitgeber hervorgehoben. Zentrale Erfolgsfaktoren zur Umsetzung sind ein organisationskultureller Wandel wie flachere Hierarchien oder eine neue Führungskultur, aber auch Schulungen.

Bisher liegt der Fokus vieler Betriebe auf den Potenzialen, die digitale Technologien als Mittel für ökologische Nachhaltigkeit eröffnen: So könne etwa eine höhere Effizienz von Ressourcen erreicht werden (z. B. paperless offices oder energieeffizientere Produktionssysteme). Zusätzlich können Zeit und Kosten gespart werden. Doch die Einführung digitaler Technologien kann aufgrund der Möglichkeiten der Zeit- und Kosteneinsparung sowie der Mitarbeitendenüberwachung einigen untersuchten Beiträge zufolge auch soziale Nachhaltigkeit befördern, etwa die Entlastung von Mitarbeitenden oder Arbeitssicherheit. Zudem verbessert Digitalisierung häufig die Möglichkeiten der gezielten Weiterbildung von Beschäftigten.

Weniger im Fokus steht bislang die umgekehrte Betrachtung von Digitalisierung aus Sicht der Nachhaltigkeit. Hier kommt die Frage auf: „Wie nachhaltig ist Digitalisierung wirklich?“ So kann Digitalisierung auch soziale und ökologische Nachhaltigkeitsprobleme verstärken, etwa in Form von Rebound-Effekten: Die mithilfe der Digitalisierung eingesparten Kosten eines Produkts kann eine verstärkte Nutzung desselben oder anderer Produkte zur Folge haben, was wiederum den Ressourcenverbrauch steigert. Digitalisierung führt somit nicht zwangsläufig zu mehr Nachhaltigkeit.

Als zentrale Herausforderungen für Unternehmen bei der Umsetzung der doppelten Transformation werden einmal Fragen der Informationssicherheit sowie fehlende zeitliche und finanziellen Ressourcen beschrieben. Darüber hinaus nennen die ausgewerteten Studien aber auch unzureichende Infrastrukturen und Qualifikationen auf Seiten staatlicher Akteure und der Unternehmen.

Weiterbildung als Schlüssel zur Entwicklung interdisziplinärer Kompetenzen

Die Studie macht deutlich: Die verknüpfte Betrachtung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung kann für Betriebe neue Perspektiven auf zwei zentrale Transformationen eröffnen. Dafür müssen auf betrieblicher Ebene aber die Voraussetzungen für eine integrierte Berücksichtigung beider Prozesse geschaffen werden. Eine gezielte Weiterbildung wird nicht nur in der Studie, sondern auch in Initiativen wie der Coalition for Digital Environmental Sustainability oder der European DIGITAL SME Alliance als Schlüsselfaktor genannt. Es gilt, interdisziplinäre – nachhaltigkeitsbezogene und digitale – Kompetenzen für Fach- und Führungskräfte zu entwickeln, die es ihnen erlauben, Digitalisierung und Nachhaltigkeit aufeinander zu beziehen und in ihrem Zusammenhang zu betrachten. Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt eine andere Studie: Es braucht u.a. Kompetenzen wie ein weitreichendes Prozessverständnis, analytisches und vernetztes Denken sowie Reflexions- und Kritikfähigkeit, um Nachhaltigkeit im Kontext von Digitalisierung umzusetzen. So können Betriebe sich nicht nur in Richtung digitaler Nachhaltigkeit, sondern auch einer nachhaltigen Digitalisierung entwickeln.